Analyse: EZB-Strategie

Die Europäische Zentralbank will unbegrenzt Staatsanleihen von Schuldenländern kaufen. Damit soll verhindert werden, dass die Zinsen in die Höhe schnellen und Länder wie Spanien und Italien keine Kredite mehr bekommen. Brüssel-Korrespondent Raimund Löw spricht im Ö1-Mittagsjournal über das EU-Krisenmanagement.

Mittagsjournal, 07.09.2012

EZB-Programm ist Weichenstellung

Und wieder liegt ein Plan zur Rettung des Euro auf dem Tisch: Die Europäische Zentralbank will die Geldpresse anwerfen und praktisch unbegrenzt Staatsanleihen von Schuldenländern kaufen. Damit soll verhindert werden, dass die Zinsen in die Höhe schnellen und Spanien, Italien keine Kredite mehr bekommen. Natürlich nur um den Preis eines strengen Sparkurses, ebenso streng überwacht durch die internationalen Währungshüter – doch das funktioniert schon bisher nicht so ganz nach Wunsch. Spielt EZB-Chef Mario Draghi nicht den Ball einfach nur weiter an die Schuldenländer? Die Börsen lassen sich vom Programm der Europäischen Zentralbank jedenfalls beeindrucken – aber wie lange – fragt man sich wieder einmal. Für Brüssel-Korrespondent Raimund Löw ist der Draghi-Plan eine Weichenstellung. Denn was gestern entschieden wurde, bedeutet nicht weniger als die Garantie, dass Eurostaaten, die Finanzierungsschwierigkeiten haben, von der EZB unbegrenzt Hilfe bekommen können. Anders als der Euro-Rettungsschirm hat die EZB keine Obergrenze, sie kann, wie andere Zentralbanken auch, unbegrenzte Mittel aufwenden. Auch wenn diese Garantie an Bedingungen geknüpft ist, gibt sie den Staaten eine viel größere Unabhängigkeit von den Finanzmärkten.

EZB flexibler als Rettungsschirm

Natürlich entsteht die Gefahr, dass durch unbegrenzte Mittel zum Schuldenmachen animiert wird. Aber die Staatsschulden wachsen nicht nur dann, wenn man zu viel ausgibt, sondern auch, wenn die Wirtschaft schrumpft. Wenn kurzfristige Schulden helfen die Wirtschaft anzukurbeln, dann werden auch die Staatsfinanzen wieder gesünder. Wichtig ist der Sanierungswille der Schuldenländer. Die Europäer haben Zeit gewonnen und sind einen Schritt zu größerer Unabhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten gegangen. Gelöst ist die Krise damit noch nicht. Es gibt Flexibilität bei den Vorgaben. Spanien hat einen Aufschub bekommen, weil sich die Weltwirtschaft verschlechtert hat.

Deutschlands Position unklar

Deutschland war immer der schärfste Kritiker des nun beschlossenen EZB-Programms. Aber Deutschland spricht nicht mit einer Stimme. Der zweite deutsche Vertreter in der EZB – Jörg Asmussen – hat sogar an Draghis Programm mitgeschrieben. In Deutschland gibt es keine klare, eindeutige Position. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel agiert sehr vorsichtig, hat nie gesagt, dass die EZB ihrem Mandat zuwider handelt. Sie hat Mario Draghi eigentlich den Rücken gestärkt.