Bibelkommentar zu Markus 8, 27 - 35
Markus schildert in diesem Evangelium eine dramatische Szene: Jesus stellt seinen Jüngern die Vertrauensfrage.
8. April 2017, 21:58
Vorher aber macht er eine Image-Studie: Für wen halten mich die Menschen? Die Ergebnisse sind niederschmetternd: Die einen verwechseln ihn mit seinem Cousin Johannes. Die anderen halten ihn für die Reinkarnation des Propheten Elija. Und dann wird es ernst für die Jünger, es geht ans Eingemachte: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Simon Petrus rettet die Situation: „Du bist der Messias“.
Das ist eine starke Ansage. Eine Nachricht, die wie eine Bombe einschlägt: Du bist der, auf den unser Volk seit Jahrhunderten wartet. Sie trifft im Kern das Selbstverständnis Jesu als Messias, übersetzt „Christus“ - der von Gott Gesalbte, der von Gott Erwählte (und Bevollmächtigte). Bei Petrus schwingen viele Erwartungen mit: Du bist der lang ersehnte Hoffnungsträger. Der Retter aus der Not. Der starke Mann, der alles richten wird. Du bist der aufsteigende Stern, der Shooting-Star. Dir gehört die Zukunft. Und mit dir gehört sie auch uns...
Jesus muss dieses Missverständnis schnellstens korrigieren: Er ist zwar der Messias, aber das bedeutet nicht Leben in Glanz und Gloria. Das ist auch kein Karriere-Sprung in die High-Society, die gesellschaftliche und politische Elite, in den Zirkel der Mächtigen. Ganz im Gegenteil: Das bedeutet Abstieg, Ausgestoßen-Werden aus dem Kreis der führenden Köpfe, gesellschaftlich geächtet, abgemeldet und kaltgestellt sein – bis hin zum physischen Tod. Eine steile Karriere nach unten.
Petrus versteht das nicht. Er macht Jesus Vorwürfe: Was soll das? Dir stehen alle Möglichkeiten offen, die Welt liegt dir zu Füßen. Du hast es in der Hand und kannst es dir richten. Alles ist möglich. Nutze die Gunst der Stunde und nimm, was dir zusteht. Du hast ein Recht darauf!
Aber das kommt bei Jesus gar nicht gut an: Er schickt Petrus zum Teufel. Noch schlimmer: Er nennt ihn selber „Satan“. Du Satansbraten, der mich vom Weg abbringen will. Der mein Leben, meine Werte ins Gegenteil verkehren will. Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen! Jesus lässt sich nicht korrumpieren und kaufen. Er verrät seine Werte und Überzeugungen nicht. Er wird nicht größenwahnsinnig: „Hurra, ich bin der Messias.“ Er bleibt mit beiden Füßen auf dem Boden und hebt nicht ab. Er verliert den Kontakt zu sich und seinem Auftrag nicht: Er ist vor allem für jene da, die in Not sind. Egal, in welcher. Er bleibt sich selber treu. Und deshalb kann er „Nein“ sagen zu allem, was lebens-zerstörend und nicht lebens-fördernd, lebens-rettend ist.
Jesus bringt es auf den Punkt: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Oje, oje – keine populäre Botschaft, damals und heute: Der Aufruf zur Selbstverleugnung ist für mich schwer verdaulich und so, wie er da steht, untragbar. Die „Verleugnung“ hört sich verdächtig nach „Verlogenheit“, Ignoranz und Blindheit gegenüber den eigenen Wünschen und Bedürfnissen an.
Aber im Blick auf Petrus kann ich sie so interpretieren: Das, was Jesus an Petrus nicht gut heißt, ist wohl sein Hunger nach Macht, sein Wunsch nach Aufstieg um jeden Preis. Sie machen Petrus käuflich, korrumpierbar. Diesen Petrus, der sich und seine Zukunft in den Mittelpunkt der Interessen stellt und von Jesus dasselbe erwartet, jagt Jesus zum „Teufel“. Denn er weiß: Wenn Petrus nicht lernt, seine persönlichen Machtinteressen zurückzustellen – sie biblisch gesprochen zu verleugnen – wird er umfallen, sobald sein Ruf und seine Karriere in Gefahr sind. Das Lippenbekenntnis „Du bist der Messias“ braucht Rückgrat: Es muss Hand und Fuß bekommen, in Fleisch und Blut übergehen, im Herzen ankommen. Sonst ist es wertlos.
Und Petrus begreift: Mit diesem Jesus unterwegs sein heißt, die eigenen Kräfte in den Dienst der „Armen“ zu stellen. Die Option für Jesus ist immer eine Option für die Armen und Schwachen, nie für die Reichen und Mächtigen. Auf diesen Petrus baut Jesus.
Und das schreibt er auch mir und allen, die „seine Kirche“ sein wollen, ins Stammbuch.