Ukraine: Bewegung im Fall Timoschenko

In den Fall der ukrainischen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko könnte etwas Bewegung kommen. Die Regierung sei bereit, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, vor dem Julia Timoschenko Beschwerde eingereicht hat, anzuerkennen, sagt der ukrainische Außenminister. Die Opposition in der Ukraine reagiert äußerst skeptisch.

Mittagsjournal, 21.9.2012

In etwas mehr als einem Monat finden in der Ukraine Parlamentswahlen statt - es sind Wahlen, die mit großer Aufmerksamkeit auch vom übrigen Europa beobachtet werden. Das umstrittene Gerichtsverfahren gegen die Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko hat in Europa heftige Kritik an der ukrainischen Führung laut werden lassen.

Präsident Viktor Janukowitsch wird vorgeworfen, mit Hilfe der Justiz sich einer politischen Kontrahentin entledigt zu haben.
Ein Vorwurf, der von der ukrainischen Führung immer zurückgewiesen wurde. Der Fall Timoschenko beweise vielmehr, dass das ukrainische Rechtssystem funktioniere, sagt der ukrainische Außenminister Konstantyn Gryshchenko, und zwar weil es nicht vor der Verfolgung von Spitzenpolitikern wie der ehemaligen Ministerpräsidentin Timoschenko halt mache: Was wichtig ist, und davon bin ich völlig überzeugt, ist, sicherzustellen, dass unser Rechtssystem funktioniert und dass es für alle gilt, auch ehemalige Politiker. Niemand soll Immunität haben. Julia Timoschenko hat mit den Gasverträgen mit Moskau Entscheidungen gefällt, die der Ukraine jährlich Milliarden von Schaden zufügen. Und das ist ein krimineller Akt.

Die Opposition in der Ukraine sieht dies völlig anders: Julia Timoschenko sitze nur im Gefängnis, weil sie Präsident Janukowitsch zu gefährlich geworden ist. Timoschenko hat denn auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das Gerichtsverfahren und gegen ihre Haft Beschwerde eingelegt. Die Entscheidung steht noch aus.

Die ukrainische Regierung werde auf jeden Fall, die Entscheidung von Straßburg anerkennen, sagt Außenminister Gryshchenko: Ich möchte in keiner Weise den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorgreifen. Das würde mir als Einflussnahme ausgelegt werden. Was ich sagen will, wir haben immer die Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofs umgesetzt.

Andriy Shevchenko von der Vereinigten Ukrainischen Opposition, der auch die Partei von Julia Timoschenko angehört, reagiert überrascht: Das ist was Neues. Es ist einerseits ein Eingeständnis, dass es innerhalb des ukrainischen Rechtssystem keinen Ausweg aus der verfahrenen Situation mehr gibt und zweitens ein Versuch, die Verantwortung nach außen, also nach Straßburg zu verlagern, um das eigene Gesicht zu wahren.

Er sei aber skeptisch, so Andriy Shevchenko von der Vereinigten ukrainischen Opposition, dass die ukrainische Regierung in jedem Fall die Entscheidungen von Straßburg anerkennen werde. Dafür gebe es zu viele Gegenbeispiele: Wir haben keine Schritte gesehen, als der Menschenrechtsgerichtshof die Verhaftung des ehemaligen ukrainischen Innenministers und Mitstreiters von Timoschenko, Juriy Luzenko, verurteilt hat. Die Ankündigung der Regierung jetzt sind auch nur Worte, der keine Taten folgen werden. Wir sind müde, nur Worte zu hören und keine Aktionen zu sehen.

Es sei nur schwer vorstellbar, dass Präsident Janukowitsch Julia Timoschenko freilässt, sagt Andrij Shevchenko. Dafür habe Janukowitsch einfach viel zu sehr Angst vor Timoschenkos politischem Einfluss und ihrer Rückkehr an die Macht.