Reformhoffnung in Nordkorea
In Nordkorea könnte heute bei einer der seltenen Parlamentssitzungen eine tiefgreifende Änderung der Wirtschaft verkündet werden. Rüdiger Frank, Nordkorea-Experte der Universität Wien, spricht im Ö1-Interview von "Aufbruchstimmung" und registriert verstärkte wirtschaftliche Aktivitäten in der kommunistischen Diktatur.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 25.9.2012
Legitimität durch Reformen
Bei Veränderungen oder Reformen in Nordkorea gibt es vorab nie offizielle Bestätigungen. Aber in diesem Fall kann die Nachrichtenagentur Reuters mit einer Quelle aus Nordkorea aufwarten die schon in der Vergangenheit immer wieder präzise Dinge vorausgesagt hat. Konkret geht es darum, dass der neue Anführer Nordkoreas, Kim jong Un, Bauern offenbar erlauben will, bis zur Hälfte der eigenen Produktion am freien Markt verkaufen zu dürfen - im streng stalinistisch-planwirtschaftlichen Nordkorea ein großer Schritt. Doch wieso gerade jetzt? Rüdiger Frank, Nordkorea-Experte der Universität Wien, vermutet als Hintergrund, dass Kim jong Un Legitimität braucht wie jeder andere Führer auch: "Aufgrund seines Status wird es für ihn wichtiger sein als für seine Vorgänger, diese Legitimität aus tatsächlichen Erfolgen zu generieren, und dazu gehört die Wirtschaft an erster Stelle."
Weitere Veränderungen?
Tatsächlich hätten Bauern schon jetzt viele ihrer Produkte frei verkaufen dürfen. Aber wenn sie auch die Preise selbst festsetzen können, dann werde das nicht nur das Angebot deutlich erhöhen - sondern auch die Inflation in die Höhe treiben. Daher erwartet Experte Frank auch Reformen in der Industrie Nordkoreas. Denn wenn die Industrie nicht produktiver wird und die Menschen nicht mehr verdienen - können sie sich die teureren Lebensmittel auch nicht leisten.
"Fast Aufbruchsstimmung"
Seit knapp neun Monaten ist Kim jong Un nun an der Macht. Rüdiger Frank, der regelmäßig nach Nordkorea fährt, hat deutliche Veränderungen schon nach wenigen Monaten bemerkt: Allein zwischen seinen beiden Aufenthalten im April und jetzt im September sei eine "gewaltige Entwicklung" festzustellen. "Ich möchte fast Aufbruchsstimmung sagen. Die Menschen sind sehr entspannt und positiv, die wirtschaftlichen Aktivitäten entlang den Straßen haben sich vervielfacht."
Kin Jong Un sitze, soweit man das beurteilen kann fest im Sattel, so Rüdiger Frank. Doch Reformen seien natürlich für die Führungsschicht immer ein Risiko. "Das ist wie mit einem Tiger: Wenn man einmal draufgesprungen ist, dann muss man ihn reiten. Wenn man absteigt, frisst er einen auf. Das ist auch der Grund, warum solche System sich sehr schwer tun mit Reformen." Wie weit sie jetzt tatsächlich gehen, wird man jedenfalls erst in einiger Zeit abschätzen können.