Italien: PdL-Skandal weitet sich aus
In Italien erschüttert ein Skandal um veruntreute Gelder in der Region Latium die Partei von Ex-Premier Silvio Berlusconi und das gesamte italienische Parteiensystem. Gestern hat die Präsidentin der Region und Vertraute Berlusconis, Renata Polverinis, nach tagelangem Zögern schließlich dem Druck der öffentlichen Empörung nachgegeben und ist zurückgetreten.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 25.9.2012
Rücktritt unausweichlich
Seit Tagen beherrscht der Skandal in der Region Region Latium Italiens Medien und Öffentlichkeit. Silvio Berlusconi, Erfinder der betroffenen Partei "Volk der Freiheit" PdL, wollte retten, was zu retten ist, und hinderte die Präsidentin der Region, Renata Polverini, tagelang am Rücktritt. Nun ist die Bankrotterklärung aber da: "Ich trete unwiderruflich zurück", erklärt sie gestern Abend, und löst damit das Regionalparlament auf: "Ein Parlament, das nicht mehr würdig ist, eine wichtige Region, wie Latium zu vertreten."
Der Druck war zu groß geworden: Die Opposition war geschlossen zurückgetreten und am Ende hatte sogar die Kirche, ihre Stimme erhoben. Die ans Licht gekommene Zügellosigkeit erzürne die Ehrlichen, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Bagnasco.
Millionen verprasst
Sie gehe mit erhobenem Kopf, erklärt Polverini, die von allem nichts gewusst haben will. Sieben Millionen Euro, die ihnen für politische Arbeit zugeteilt war, haben Polverinis Parteifreunde in den vergangenen zwei Jahren verprasst und veruntreut, für Unglaubliches: Karnevaleske Gelage, Autos, Geschenke, Krawatten, Handys, - es wird ermittelt.
Der Skandal ist für Silvio Berlusconis Partei PDL ein Tiefschlag. Sie werde jetzt auspacken, hat Renata Polverini bitter erklärt. Im PdL hat Berlusconi vor Jahren seine ehemalige Forza Italia mit den Postfaschisten zusammengeschweißt. Es waren die Rivalitäten zwischen den beiden Lagern, die "Lazio-Gate" zu Tage gefördert haben, der Streit um Macht und politische Posten - er droht nun die gesamte PdL zu zerreißen. Über seine mögliche Wiederkandidatur hat Berlusconi zuletzt nur mehr geschwiegen.
Politik verliert
Aber auch ein System ist an die Wand gefahren: um zu dezentralisieren hat Italien vor einem Jahrzehnt seine Regionen stark aufgewertet und mit viel Macht und Geld ausgestattet. Nicht nur im Latium ist daraus ein Parasiten-System erwachsen. Auch andere Regionen sind betroffen, und andere Parteien.
Und die Politik verliert bei den Bürgern mit jedem Tag mehr an Glaubwürdigkeit. Und in Gefahr gerät die Demokratie. Immer weniger, wollen überhaupt noch wählen gehen. Immer lauter wird der Wunsch, den Parteien alles aus der Hand zu nehmen - und immer öfter fordert jemand ein "Monti bis", das heißt: Die Technokraten mögen weiter regieren, weil die politische Klasse versagt.