"Klartext": Biosprit versus Hunger in der Welt
Fast eine Milliarde Menschen hungern weltweit, und wer dafür die Schuld trägt und was dagegen gemacht werden könnte, das war gestern Abend im (zum Bersten gefüllten) Radiokulturhaus das Thema einer Diskussion. Jean Ziegler, Schweizer Globalisierungskritiker, sowie Franz Fischler, ehemaliger Agrarkommissar redeten bei Klaus Webhofer "Klartext".
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 26.9.2012
"Das ist ein Verbrechen"
Dürren, Kriege, schlechte landwirtschaftliche Infrastruktur - alles Ursachen für den Hunger. Für Jean Ziegler aber nicht die wesentlichen. Er nennt die Spekulation auf Lebensmittel, den Landraub, den unfairen Handel, aber auch den Trend mit Agrartreibstoffen die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren: "Die USA haben letztes Jahr 138 Millionen Tonnen Mais und hunderte Millionen Tonnen Getreide verbrannt, um Bioethanol und Biodiesel herzustellen. Mit einem Argument, das Obama weltweit vertritt, das auf den ersten Blick nicht absolut absurd ist: Er sagt, man kann nicht mehr atmen zwischen Baltimore und New York wegen der Umweltverschmutzung und so weiter, und deshalb muss die fossile Energie ersetzt werden durch Vegetalenergie. Das kann man verstehen, aber auf einem Planeten, auf dem alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungert, Nahrungsmittel zu verbrennen, ist ein Verbrechen und total inakzeptabel."
Treibstoff aus Abfällen
In Österreich ist der Agrartreibstoff E10 zwar vorerst auf Eis gelegt worden. Gut so, sagt Franz Fischler. Nach den USA und Brasilien ist die Europäische Union inzwischen aber tatsächlich bereits der drittgrößte Agrar-Treibstoffproduzent, und es gebe weitere Ausbaupläne. Diese sollte man "besser früher als später vergessen", so Fischler unter Applaus des Publikums. Statt dessen sollte man aus Abfällen oder Zellulose Treibstoffe herstellen, weil es da keinerlei Konkurrenz zu den Nahrungsmitteln gebe. "Aber Nahrungsmittel gehören nicht in den Tank", so Fischler.