Die geheimen Aufnahmen aus dem Weißen Haus
Mehr als 360 Stunden Audiomaterial ließ John F. Kennedy während seiner Präsidentschaft aufzeichnen: Telefonate, Verhandlungen und private, diktierte Gedanken. Caroline Kennedy gestattet jetzt die Veröffentlichung heimlich mitgeschnittener Gespräche ihres Vaters.
8. April 2017, 21:58
360 Stunden Audiomaterial
John F. Kennedy war der jüngste ins Amt gewählte und der zweitjüngste US-Präsident. Mehr als 360 Stunden Audiomaterial ließ Kennedy während seiner Präsidentschaft aufzeichnen: Telefonate, Verhandlungen und private, diktierte Gedanken aus dem Oval Office und dem Kabinettsaal. Installiert wurden die Mikrophone vermutlich nach dem Schweinebucht-Fiasko 1961, vermutet Kennedys Sekretärin - um Missverständnisse zu vermeiden und feststellen zu können, wer was gesagt hatte.
Caroline Kennedy meint, ihr Vater wollte Memoiren schreiben und hatte die Aufnahmen auch dafür gedacht. Von ihr stammt das Vorwort in "Die geheimen Aufnahmen aus dem Weißen Haus".
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Heute, fünfzig Jahre nach seiner Präsidentschaft, ist die Zeit meines Vaters bereits Geschichte und schwindet aus dem Gedächtnis der Lebenden. Aber Präsident Kennedys Worte, sein Vorbild und sein Geist sind nach wie vor lebendig. In einer Zeit, in der viele junge Menschen von der Politik enttäuscht sind, müssen wir uns generationenübergreifend bemühen, uns wieder auf diese Ideale zu berufen.
"Wir sind umgeben von Mythen, die uns vom Weg abbringen", sagt Kennedy 1962 in einer Rede an der Yale University. Mythen sind es auch, die sich um ihn selbst ranken. Um seinen Tod, um seine Affären. Diese Mythen werden in "Die geheimen Aufnahmen aus dem Weißen Haus" nicht aufgelöst, aber: die Aufzeichnungen bieten Einblicke in seinen Arbeitsalltag und zeigen, was ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika eigentlich den ganzen Tag so macht. Einige der Tonaufnahmen sind Telefonate.
Aufgezeichnet wurden auch einige persönliche Diktate von Kennedy selbst. Im Oktober 1962 hält Kennedy fest, worauf er sich mit seinem Berater-Stab zur Kuba-Krise geeinigt hatte.
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Der Konsens war, dass wir am Sonntagabend mit der Blockade beginnen sollten. Sie soll zunächst verhindern, dass die Sowjetunion weiteres Offensivmaterial anliefert, und kann bei Bedarf verschärft werden. Ich habe großen Wert darauf gelegt, dass wir nicht den Kriegszustand verkünden, denn es wäre offensichtlich schädlich, wenn sich die Nachricht verbreitete, dass wir einen Krieg haben und nicht nur eine begrenzte Blockade für einen begrenzten Zweck. Es wurde beschlossen, dass ich zunächst meine Reden halte, also halten wir die Sache zunächst geheim und kommen am Samstagabend wieder darauf zurück.
Zehn Tage später telefoniert John F. Kennedy mit einem seiner Amtsvorgänger, mit Henry Truman, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen.
Ein weiteres Tonprotokoll dokumentiert Kennedys Gedanken, die er sich im Dezember 1962 nach einer Sitzung zum Thema Verteidigungshaushalt macht. Er fragt sich, ob das strategische Aufrüsten der Amerikaner die Russen auch wirklich abschrecken würde. Und er stellt den Einsatz von Atomwaffen in Frage.
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Aber wozu sind sie sonst gut? Ich weiß es nicht, man kann sie nicht selbst zuerst einsetzen. Sie taugen nur zur Abschreckung, und wenn die Russen uns angreifen, weil wir es nicht geschafft haben, sie abzuschrecken, dann geht es nur noch darum, sie zu zerstören, weil wir unseren Teil des Vertrags erfüllen müssen, und das Zeug auf ihre Städte abzuwerfen und sie zu vernichten. Es leuchtet mir daher wirklich nicht ein, warum wir so viele Atomwaffen bauen, wie wir bauen.
Sehr detailliert bereitet Herausgeber Ted Widmer Transkripte der Telefonate und Gespräche von John F.Kennedy mit Militärberatern und ehemaligen Präsidenten auf, die Einblicke in die historischen Ereignisse während Kennedys Präsidentschaft liefern.
Service
Ted Widmer (Hrsg.), "John F. Kennedy. Die geheimen Aufnahmen aus dem Weißen Haus", mit einem Vorwort von Caroline Kennedy, aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Dagmar Mallet, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 2012.