Der Citizen Space in Zürich

Coworking gegen Vereinsamung

In der Schweiz treibt knapper Wohnraum die Mieten nach oben. Für viele Einzelunternehmer ist es deshalb fast unmöglich ein leistbares Büro anzumieten. Vor drei Jahren hat ein Graphiker den Coworking Gedanken importiert und betreibt seitdem den ersten und auch einzigen Coworking Space in Zürich.

Alles was man zum Coworken braucht

Ein schlichtes Backsteinhaus in Zürich West, dem derzeit größten Entwicklungsgebiet der Stadt. Es ist Freitag 10 Uhr Vormittag. Aber bis auf einen Fotografen, der in seinem durch schwarze Vorgänge abgetrennten Studio werkelt, ist der loftartige hohe Raum menschenleer. Um die Ecke tut sich schließlich ein zweites Zimmer auf, in dem mehr Betrieb herrscht. Vier Männer beugen sich an einem langen Tisch über einen Laptop.

Einer darunter ist der Schweizer Daniel Kappler. Der Mitvierziger hat sich vor kurzem als Onlinemarketingberater selbstständig gemacht. Er hat einen fixen Arbeitsplatz im Citizen Space und ist seit knapp einem Jahr beinahe jeden Werktag hier.

Coworker und Businessmänner

10 bis 15 Menschen sind täglich hier, meint der ehemalige Programmierer. Viele Leute arbeiten im IT Bereich. Aber auch Journalisten, Landschaftsgärtner und Fotografen nutzen den Citizen Space. Die meisten seien übrigens Frauen, fügt er hinzu. Kappler schätzt das Netzwerken, besonders mit Leuten, die in anderen Branchen tätig sind. Einige seiner Coworker habe er schon beraten.

Gegründet wurde der Citizen Space 2008 vom Graphiker Jürg Rohner. Die Zweiräder im Eingangsbereich hat er in seiner spärlichen Freizeit zusammengeschraubt. Sie sind seine große Leidenschaft. Zum Coworking Space kam der Enddreißiger eher zufällig. Er wollte als selbstständiger und einsam vor sich hin werkelnder Graphiker etwas gegen seine drohende Vereinsamung tun. Denn E -Mail und Soziale Netzwerke seien dem Zwischenmenschlichen eindeutig nicht förderlich, findet er.

25 bis 30 Monatsmieter hat er mittlerweile. Sie zahlen 300 Franken, umgerechnet also 250 Euro, und bekommen dafür einen eigenen Schlüssel. Dazu kommen Tages- und Wochenmieter. Im Sommer habe er ganz speziell Gäste: Geschäftsmänner aus dem Nahen Osten. Während ihre Frauen in der Zürcher Innenstadt shoppen, wollen die Männer an einem diskreten Ort arbeiten. Geld spielt keine Rolle. Doch normalerweise stammen die Nutzer eher aus seinem oder verwandten Berufsfeldern.

Zürich kein El Dorado für Coworking

Jürg Rohner zahlt für 400 m2 Fläche 12.000 Franken, umgerechnet also fast 10.000 Euro Miete. Bei solchen Mietpreisen müsse man kürzere Sprünge machen als Coworking Spaces in anderen Städten, etwa in Berlin.

Die zentrale Lage und die Postadresse seien enorm wichtig, ist der Graphiker überzeugt. Einen Coworking Space könne man nicht einfach auf die grüne Wiese setzen. Die zentrale Lage im Kreativviertel der Stadt schätzt auch die Fotografin Tanja Demarmels. Außerdem wohnt sie ganz in der Nähe.

Sie arbeitet hauptsächlich für Zeitungen und Magazine. Vor einem Jahr hat sie ihr vormaliges Home-office in den Citizen Space verlagert. Sie fühlt sich wohl hier, nur der Wechsel unter den Coworkern stört sie etwas. Außerdem würden in letzter Zeit Programmierer immer mehr das Ruder übernehmen, zu Lasten der Kreativen.

Kontakte knüpfen und Aufräumen

Um die Kreativen wieder stärker anzulocken, sucht Jürg derzeit in der Nähe nach einer Fläche, die er jungen Labels kostengünstig zur Verfügung stellen kann. Derzeit testet er das Konzept im Erdgeschoss der ehemaligen Seifenfabrik. Dort hat er in einem 60 m2 großen Ladenlokal den Verkaufs-und Lagerraum eines Kindermodenanbieters untergebracht.

An einem Schreibtisch im vorderen Bereich hat sich ein Programmiererduo niedergelassen. Die beiden würden ihren ungewöhnlichen Arbeitsplatz durchaus schätzen, sagt der Graphiker und Coworking Betreiber Jürg Rohner. Auch er findet den bunten Mix an Menschen und Berufen bereichernd, wenn es auch manchmal etwas anstrengend sein kann. Denn einer der wichtigsten Aufgaben eines Coworking Betreibers sei das Aufräumen. An die Rolle des Abwartes, wie Hausmeister auf Schweizerdeutsch heißt, hat er sich aber immer noch nicht ganz gewöhnt.

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