Juri Andruchowytsch: Keine Hoffnung für Ukraine
Immer hoffnungsloser wird die Lage in der Ukraine. Das sagt der ukrainische Autor Juri Andruchowytsch, einer der wichtigsten Intellektuellen des Landes. Mit Romanen wie "Zwölf Ringe", "Moskoviada", einer aberwitzigen Abrechnung mit der Sowjetunion und - zuletzt auf Deutsch erschienen - "Perversion" ist er zum Klassiker der ukrainischen Gegenwartsliteratur geworden.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 3.10.2012
Sich selbst überlassen
Als vor vier Monaten wegen der Fußball-Europameisterschaft die Scheinwerfer auf die Ukraine gerichtet waren, war er ein gefragter Interviewpartner und er hat sich mit scharfen Kommentaren zur politischen Situation zu Wort gemeldet. Alles vergebens, meint er jetzt, nach der EM hat die Weltöffentlichkeit das Land wieder sich selbst überlassen. Und in 25 Tagen finden dort schicksalhafte Parlamentswahlen statt.
Keine Krise, sondern ein Untergang
Noch nie hatten wir eine so inkompetente und brutale Regierung, sagt Juri Andruchowytsch. Allgegenwärtige Korruption, Beschneidung der Medienfreiheit, Wirtschaftsflaute, Bildungsdefizite, schlechte Gesundheitsvorsorge, Umweltprobleme, Menschenhandel - das sind nur ein paar Stichworte.
Präsident Janukowitsch und seine Partei der Regionen haben bereits die Macht des Parlaments zugunsten der des Präsidenten unter fragwürdigen Umständen signifikant beschnitten - nicht zuletzt mit einer Wahlrechtsreform - der vierten seit der Unabhängigkeit 1991. - Vor der Fußball-Europameisterschaft habe er auf die EU gehofft, sagt Juri Andruchoytsch, es wäre eine Chance gewesen, Druck auf die Ukraine auszuüben.
Zerrissen zwischen Russland und Europa
Das größte Problem sei die Spaltung des Landes, sagt Juri Andruchowytsch. Zerrissen zwischen Russland und Europa sei die Ukraine ein Staatsgebilde mit zwei verschiedenen Nationen. Und mit Sorge beobachtet er, dass der Westen des Landes sich mehr und mehr an den Osten anpasst.
Donbass - das große Steinkohlen- und Industriegebiet im Osten der Ukraine. Dort spricht man Russisch. Ein Gesetz zur Stärkung der russischen Sprache, das Anfang Juli im Parlament in Kiew beschlossen worden ist, sorgt derzeit auch für sozialen Konfliktstoff. Die Kritiker befürchten ein weiteres Abdriften des Landes Richtung Russland - auch angesichts der angestrebten Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan. Eine Teilung des Landes wird für Juri Andruchowytsch zur positiven Vision.
Den Parlamentswahlen am 28. Oktober kommt jedenfalls eine Schlüsselrolle zu. An die Folgen dieser Wahl denkt Andruchowytsch - wie er sagt - mit großer Angst.