Thrillerleben

Die Café-Sonntag-Glosse von Joesi Prokopetz

You know it's thriller, thriller night
You're fighting to survive inside a killer, thriller tonight
Micheal Jackson

Der Alltag. Stetes Verrichten der gleichen Handgriffe, Erledigen der gleichen Notwendigkeiten, Routine. Der Blick in dieselben Gesichter, Austausch von Worthülsen mit den immer gleichen Menschen. Gelerntes, Bekanntes, ritualisierte Gleichgültigkeit. Das Leben gerinnt uns, kaum sind Kindheit und Spätpubertät vorbei, zum fixen Ablauf, zum Automatismus, zur systematischen, eher weniger als mehr individuellen Bewältigung.

Guten Morgen.
Mahlzeit.
Auf Wiedersehen.
Gute Nacht.

Und schon ist ein Alltag, überwiegend ein grauer vorbei. Und der folgende dämmert herauf. Und genau darum thrillen uns die Thriller so. Beginnen sie doch meist mit Menschen die geregelt, ja saturiert leben, um dann in eine Haarnadelkurve der Existenz zu driften, die sie vollständig aus der Bahn wirft, hilflos macht, in Todesnöte bringt und Taten abverlangt, die man nicht mit akkurat geföhnten Haaren und stringent gebügelten Hemden tun kann.

Im Thriller wird der Protagonist/die Protagonistin auf die Mindestgröße, die man mit Hut und Gummisohle haben kann, zusammengestaucht, von den Mitmenschen allein gelassen, missverstanden, verdächtigt selbst das Böse, der Antagonist zu sein und in tiefste Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gestürzt.

Der Schurke scheint unbesiegbar und fährt hohnlachend einen Triumph der bösen Tat nach dem anderen ein. Ist das Opfer, das abrupt aus seinem Alltag gerissen wurde, dann eine bestimmte Zeitspanne mit der neuen Situation konfrontiert, richtet es sich in dieser schlecht und recht ein, sodass diese wieder Alltag wird, dann wächst er oder sie über sich hinaus, blickt der Furcht ins Auge und sieht, dass sie zwinkert. Und entwickelt auf einmal Kaltblütigkeit, Kampfkraft, rast im Rahmen diverser Verfolgungsjagden mit einem eigens dafür gestohlenen PKW halsbrecherisch durch eine Millionenstadt, ja findet oder erbeutet gar eine großkalibrige Faustfeuerwaffe samt ausreichend Munition und der Mut des Löwen beginnt sich vorzudrängen.

Keine lähmende Rat- und Hilflosigkeit mehr vis-a-vis der Skrupellosigkeit des unheimlichen Unbekannten, keine panische Schnappatmung und kein Erbleichen bei jeder Fehlzündung eines Gebrauchtwagens mehr. Nein, der Held/die Heldin liest in Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre den Satz: "Die Vorsehung hat tausend Mittel, die Gefallenen zu erheben und die Niedergebeugten aufzurichten" und beginnt als beste Verteidigung anzugreifen, sich an das schlechte Wetter und die oft nur unzureichend erklärte herrschende Dunkelheit im Film zu gewöhnen und vor allem an die durchgehend nervenzerfetzende Musik.

Es kommt nach ersten Teilerfolgen des Helden/der Heldin zu einem neuerlichen vorübergehenden Vorteil des Missetäters aber nur um die Fallhöhe zu maximieren, aus der dann der - hopp oder drop - Sturz in den Showdown folgt.

Im politisch korrekten Thriller kommt der Widersacher, der sich meist als kompliziert psychisch gestört herausstellt, nicht direkt durch die Hand des Helden/der Heldin ums Leben, sondern stürzt im Kampfgetümmel gerne mal zu Tode, verbrennt oder richtet sich selbst, um zu vermitteln dass eine höhere Gerechtigkeit exekutiv tätig wurde.

"Mein ist die Rache...etc...pp" Meist nur in B-Movies stirbt der Täter im Kugelhagel der Polizei. Letzte Einstellung: Der Held/die Heldin kehrt in sein/ihr gewohntes Leben, in seine/ihre gelernten Abläufe zurück und nach einer meist leicht abgeschmackten Schlusspointe, beginnt der Schlussroller.

Ist ein Thrillerleben eine valide Option?
Keine Angst. Alles ist gut.
Guten Morgen.
Mahlzeit.
Es hat sich ausgethrillert.