Libyens schwerer Weg in die Demokratie

Genau ein Jahr ist es her, seit libysche Rebellen in der Stadt Sirte den ehemaligen Diktator Muammar al-Gaddafi getötet haben. Von geregelten Verhältnissen kann in Libyen heute keine Rede sein. Die Situation ist unübersichtlich. Viele Teile des Landes sind unter der Kontrolle von Rebellengruppen, die die militärische Macht nicht aus der Hand geben wollen. Der Weg zu Stabilität und Demokratie in Libyen ist deshalb mehr als holprig.

Morgenjournal, 20.10.2012

Katharina Wagner

Milizen kontollieren das Land

Sie errichten Straßensperren, bewachen Flughäfen und regeln den Verkehr, manche von ihnen tragen sogar eine Polizeiuniform. Einige Rebellengruppen haben ein Jahr nach dem Sturz des Langzeit Diktators Muammar al Gaddafi in Libyens Städten Aufgaben übernommen, um die sich eigentlich die Polizei kümmern sollte, sagt Alaedin Montasser, ein libyscher Geschäftsmann und Revolutionsteilnehmer in Tripolis. "Man muss sich auf der Straße nur umsehen. Die am schlechtesten bewaffneten Menschen hier sind Polizisten. Im Moment liegt die Sicherheit bei den Milizen. Sie kontrollieren die Militärstützpunkte, Flughäfen und Gefängnisse. Unter den Milizen gibt es natürlich auch Kriminelle oder solche mit radikalen Ansichten und die sind gefährlich. Aber was ist die Alternative? Sollen sie nach Hause gehen und das Land ungeschützt lassen? Es gibt ja keine Armee und die Polizei macht ihre Arbeit nicht."

Große Herausforderung für Zentralregierung

Erst vor einem Monat haben 10.000 Libyer dagegen demonstriert, dass bewaffnete, radikalislamische Rebellen immer mehr nach militärischer Macht greifen. Einigen Demonstranten ist es gelungen, einen Hauptsitz der Rebellen zu stürmen. Eine Antwort auf die Sicherheitsfrage in Libyen ist derzeit aber keine in Sicht, sagt Hamadi El Aouni, Lybienexperte an der Freien Universität in Berlin. "Ich fürchte es wird sich lange Zeit nicht viel ändern, weil die Milizen verschiedene Interessen hegen. Solange die Zentralregierung es nicht schafft, diese Interessen unter ein Dach zu bringen, werden die Milizen ein Problem bleiben", so El Aouni.

Bei den libyschen Parlamentswahlen Anfang Juli haben die Wähler den radikalen Islamisten eine klare Absage erteilt. Der neue Ministerpräsident Ali Seidan, ein langjähriger Gaddafi-Gegner steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe eine Regierung zu bilden. "Das Problem ist libysch zu lösen. Dafür müssen die ausländischen Einmischer sich zurückziehen, aber ich fürchte, Saudi-Arabien und Katar würden sich nicht zurückziehen. Sie wollen gern sehen, dass genau das passiert, was in Tunesien und Ägypten passiert, nämlich dass die Regierenden in ihrem Auftrag handeln", so Hamadi El Anoui.

"Gehen weiter auf die Straße"

Sollte es die Regierung nicht schaffen, stabile Verhältnisse zu schaffen, werden die Libyer wieder auf die Straße gehen, davon ist auch Alaedin Montasser überzeugt: "Alles hat damit begonnen, dass unbewaffnete Zivilisten auf die Straße gegangen sind und sich gegen die Armee von Gaddafi in Benghazi aufgelehnt haben. Was manche Dinge betrifft, müssen wir das weiterhin tun. Und wir werden das so lange tun, bis wir das Land haben, für das wir so hart gekämpft haben."
Der erste Todestag von Muammar al Gaddafi wird in Libyen nicht offiziell begangen. Gefeiert wird erst am 23. Oktober, dem offiziellen Tag der "Befreiung des Landes", aber "ob er offiziell ist oder nicht, wir feiern heute!"