Vor Wahlsonntag in der Ukraine
Die Ukraine wählt morgen ein neues Parlament. Insgesamt treten 22 Parteien zur Wahl an. Acht Jahre nach Ausbruch der letztendlich gescheiterten Orangen Revolution sind die Wähler in der ehemaligen Sowjetrepublik politikmüde, der Wahlkampf ist auf wenig Begeisterung gestoßen. Für Spannung sorgt einzig der populäre Boxweltmeister Vitali Klitschko, der nicht nur Regierung, sondern auch Opposition herausfordert.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 27.10.2012
Timoschenkos "im Krieg"
Das Oppositionsbündnis "Vaterland" versammelt ein letztes Mal vor der Wahl seine Anhänger im Stadtzentrum von Kiew. "Wir wollen Demokratie in der Ukraine", sagt eine ältere Frau, "wir wollen ein europäisches Land." Die Anführerin des Oppositionsbündnisses, Julia Timoschenko, ist weit weg. Sie sitzt nach einem umstrittenen Prozess in einem ostukrainischen Gefängnis und darf nicht kandidieren. Nun kämpft die Tochter von Timoschenko, Ewgenija, an ihrer Stelle: "Wir sind in einem Krieg. Meine Mutter sagt, dass sich nun entscheidet, ob wir den Kampf für Demokratie gewinnen oder nicht. Die Wahlen werden durch die Regierungspartei manipuliert und die internationale Gemeinschaft darf sie nicht als fair anerkennen."
"Vieles besser geworden"
Die Regierungspartei sieht dies anders: Timoschenko sei eine verurteilte Verbrecherin, betont Regierungschef Mykola Asarow. Und zeigt sich zuversichtlich, dass seine Partei bei den Wahlen gewinnen wird: "Wir sind die erste Regierung, die tiefgreifende Reformen durchführt, wir haben das Justizsystem erneuert, den Gesundheitsbereich, das Steuersystem. Die Menschen sehen, dass wir das Land modernisieren." Es sei vieles besser geworden in den letzten Jahren, meint auch eine Frau bei einer Wahlkampfveranstaltung der Regierungspartei. "Sie haben Spitäler gebaut, Straßen und Kindergärten."
Suche nach neuen Helden
Dennoch ist Ukraine noch immer alles andere als ein moderner, demokratischer Staat. Sämtliche Machtfäden laufen bei Präsident Janukowitsch und ihm getreuen Oligarchen zusammen. Die Korruption grassiert und das Land hängt am Tropf des Internationalen Währungsfonds. Viele Ukrainer sind enttäuscht, sowohl von der Regierungspartei als auch der Opposition um Julia Timoschenko. Sie suchen nach neuen, unverbrauchten Helden. Einen wie Boxweltmeister Vitali Klitschko.
Der populäre Nationalheld wird bejubelt, wo immer er auch hinkommt. Klitschko kündigt an, gegen die Korruption zu kämpfen und das Land nach Europa zu führen. Er gibt sich auch in Interviews weltoffen und sprachgewandt: "Wir kämpfen für die Menschen, nicht für Oligarchen und nicht für Finanzgruppen." Politische Beobachter in der Ukraine trauen Klitschko zu, die Parteienlandschaft nachhaltig zu verändern. Der politisch wenig erfahrene Boxer könnte bei der morgigen Wahl für eine Überraschung sorgen.