US-Wahlkampf "schlimmster aller Zeiten"
Es war einer der schlimmsten US-Wahlkämpfe aller Zeiten, sagt Glenn Kessler, Kolumnist bei der Washington Post. Als "Fact-Checker" bewertet der Pulitzer-Preisträger den Wahrheitsgehalt von Politikeraussagen und vergibt "Pinocchios" für Wahlkampflügen. Romney führt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 6.11.2012
"Undurchsichtige Aktionskomitees"
Bei Lesern beliebt, von Politikern gefürchtet - Glen Kessler ist der prominenteste "Fact Checker" der Nation. Er vergibt für Halbwahrheiten einen und für haarsträubende Lügen vier Pinocchios, ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit. Er habe keine Freunde mehr in Washington, scherzt der langjährige Journalist. Kessler beobachtet seit den frühen 90er-JahrenWahlkämpfe in den USA. Dieser jetzt sei besonders schlimm, sagt er. Was diesen Wahlkampf von anderen unterscheidet, sind die Werbungen des Superpacks, das sind diese undurchsichtigen politischen Aktionskomitees, die niemandem Rechenschaft schuldig sind und wo man nicht genau weiß, wer genau hinter der Finanzierung steckt. Ihre Werbungen haben den Wahlkampf schlimmer gemacht als in den vergangenen Jahren."
Direkte Attacken
Mehr als 800 Millionen Dollar haben Superpacks in diesem Wahljahr ausgegeben, mehr als zwei Drittel davon für republikanische Kandidaten, allen voran Mitt Romney. Die Republikaner haben den Fact Checker der Washington Post daher in diesem Wahlkampf erstmals direkt attackiert. "Die Romney-Campaign hat erklärt, ihr wirkungsvollster TV-Spot sei einer, wo Präsident Obama vorgeworfen wird, das Wohlfahrtsgesetz zu zerstören. Ein Reporter hat dann gesagt: Moment, der Sport hat doch vier Pinocchios von der Post bekommen. Die Antwort war nur: Wir lassen uns von Fact Checkern nicht den Wahlkampf diktieren."
Bewährte Lügen bleiben
Das entspricht durchaus dem Vorgehen beider Parteien. Lügen, die bei Wählern gut ankommen und also Stimmen bringen können, werden sowohl von Republikanern als auch Demokraten einfach weiter verwendet. Bei den Demokraten waren das diesmal vor allem Werbungen, die auf die Karriere von Mitt Romney bei der Investmentfirma Bain Capital abzielen. Kessler: "Da gab es eine Spot der Superpacks, wo Romney beschuldigt wird, am Krebstod einer unversicherten Frau schuld zu sein, obwohl das sechs Jahre nach seinem Rückzug bei Bain Capital war." Dafür hat es vier Pinocchios gegeben, ebenso wie für den Vorwurf von Mitt Romney, Obama habe die USA geschwächt, weil er als Präsident im Ausland auf "Entschuldigungstour" gewesen sei.
Romney führt
Auf der Internetseite der Washington Post sind alle Lügen aus dem Wahlkampf nachzulesen. Der "Pinocchio-Tracker" errechnet sogar einen "Lügen-Durchschnittswert". Das Ergebnis: ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Mitt Romney und Barack Obama. Aber während der Präsident bei den Vorwahlumfragen zuletzt einen hauchdünnen Vorsprung hatte, ist es hier Mitt Romney, der mit der größeren Pinocchio-Nase leben muss. "Mitt Romney führt", sagt Kessler, und zwar mit 2,4 im Vergleich zu Obama mit 2,1 Pinocchios.