Forscher zeigen Weg aus EU-Krise auf
Wie ist die Krise in der Eurozone dauerhaft zu bewältigen - diese Frage soll eine Gruppe von mehr als 30 europäischen Forschungsinstituten im Auftrag der EU-Kommission beantworten. Die Vorschläge, die heute veröffentlicht werden, dürften vielen europäischen Regierungschefs nicht gefallen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 9.11.2012
Unangenehme Botschaften
Schuldenschnitt für Krisenländer, Vergemeinschaftung der Schulden und der Übergang zur Transferunion: Was viele Regierungschefs der Eurozone nicht einmal diskutieren wollen, sehen die Forschungsinstitute als Notwendigkeit. Denn derzeit werde unter großem Druck der Finanzmärkte gerade das Allernötigste zur Krisenbewältigung getan. Und das sei teuer, sagt Roger Liddle, ehemaliger Berater des britischen Ex-Premiers Tony Blair, und Leiter des Think-tanks "Policy Network": "Wir sagen ja, wir brauchen Transfers und Schuldenvergemeinschaftung. Das wird ein Teil der Lösung. Entweder erkennt man das an und lernt damit umzugehen, oder es endet mit Pleiten von Ländern mit allen negativen Folgen für ganz Europa."
Schuldenschnitt notwendig
Krisenländer wie Griechenland fallen zu lassen, sei keine Option, sagt auch der Koordinator des Forschungsprojekts Karl Aiginger, der Leiter des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO). Budgetsanierung in den Krisenländern ist laut Aiginger notwendig und dazu eine Perspektive für Wachstum und Arbeitsplätze. "Und dann bedarf es wahrscheinlich noch eines Schuldenschnitts, also entweder eine direkte Herabsetzung der Schulden oder dass man den Ländern sehr langfristig einen sehr niedrigen Zinssatz gibt."
Wachstum durch Beschäftigung
Langfristige Lösungen sollen die Forscher im Auftrag der EU-Kommission liefern. Und sie sprechen in ihren ersten Vorschlägen das offen aus, was sich in vielen EU-Papieren aus Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten höchstens diplomatisch verklausuliert findet. Der Krisenpolitik fehle es an Weitsicht, sagt Karl Aiginger. Es müsse auch Beschäftigung entstehen, dann könne Europa weiter wachsen und auch 2030 noch die stärkste Wirtschaftsmacht sein, so Aiginger.
Sozialstaat erhalten, Wirtschaft öffnen
Wachstumsfördernde Maßnahmen könnten mit Mitteln aus einer Finanztransaktionssteuer angestoßen werden, schlagen die Forscher vor. Der längerfristige Umbau könne nur über die soziale Nachhaltigkeit führen. Ziel müsse es sein, den europäischen Sozialstaat zu erhalten. Fatal wäre jedenfalls der Rückzug auf die nationale Heimeligkeit, sagt Aiginger und führt Österreich als Beispiel dafür an. Mit jedem Schritt der Öffnung sei die österreichische Wirtschaft stärker geworden und sei heute eines der reichsten Länder. Auch Europa habe diese Möglichkeit: "Entweder es schirmt sich ab ab oder es wird ein starker Spieler." Vier Jahre lang sollen die Sozialforscher an Perspektiven für die EU arbeiten. Wann ihre Vorschläge umgesetzt werden könnten, darauf wollen sie heute keine Antwort geben.