Japan vor Neuwahl und Machtwechsel

Der japanische Ministerpräsident Yoshihiko Noda hat das Parlament aufgelöst und damit den Weg für vorgezogene Neuwahlen freigemacht. Bei der Wahl droht Nodas Demokratischer Partei (DPJ) eine schwere Niederlage. Nach Umfragen hat Nodas Widersacher, der rechtskonservative Chef der Liberaldemokratischen Partei LDP, Shinzo Abe, gute Chancen auf einen Wahlsieg.

Mittagsjournal, 16.11.2012

Wahl am 16. Dezember

Schon vor drei Monaten hatte Premierminister Yoshihiko Noda der Opposition versprochen, das Parlament vorzeitig aufzulösen. Im Gegenzug bekam Noda die Zustimmung der Opposition zu einer drastischen Steuererhöhung. Nun wird die Mehrwertsteuer ab 2014 in zwei Schritten verdoppelt, von derzeit fünf Prozent auf zehn Prozent. Diese kräftige Anhebung soll das Verschuldungstempo von Japan bremsen. Vor diesem notwendigen, aber sehr unpopulären Schritt hatten sich alle vorigen Regierungen gedrückt. Aber sein Versprechen, das Parlament aufzulösen, löste Noda erst jetzt ein. Monatelang hatte er auf bessere Umfragewerte für seine Regierung gehofft, doch den Wählern ist die beschlossene Steuererhöhung übel aufgestoßen. Daher musste Noda heute in den sauren Apfel beißen.

Mit Hurra-Rufen antworteten die Abgeordneten auf den Neuwahlbeschluss. Dabei hat die regierende Demokratische Partei, die DPJ, keinen Grund zum Jubeln. Viele ihrer Abgeordneten werden bei der Wahl am 16. Dezember ihren Parlamentssitz verlieren. Dabei hatte die DPJ erst im Sommer 2009 mehr als fünfzig Jahre Dauerregierung der Liberaldemokratischen Partei beendet. Die DPJ versprach eine "Politik für die Menschen" statt "für die Unternehmen". Dafür wollte man den Wohlfahrtsstaat ausbauen, etwa durch ein Kindergeld. Doch das Reformprojekt scheiterte an der Unerfahrenheit der DPJ, dem mächtigen Beamtenapparat und den hohen Staatsschulden.

Kampf gegen Wirtschaftsprobleme

Umfragen zufolge liegt die Reformpartei in der Wählergunst derzeit weit hinter den oppositionellen Liberaldemokraten, der LDP, zurück. An die LDP-Spitze ist im September Shinzo Abe gerückt. Der 58-Jährige war bereits ab 2006 ein Jahr lang Premierminister und erlebt nun ein Comeback. Die wirtschaftliche Misere Japans will Abe durch einen Gewaltakt in der Geldpolitik überwinden, wie er gestern ankündigte: "Wir wollen ein Inflationsziel von zwei bis drei Prozent setzen. Dafür machen wir eine unbegrenzte geldpolitische Lockerung mit negativen Zinsen."

Diese extrem aggressive Geldpolitik soll die Deflation und damit das Grundübel der japanischen Wirtschaft beenden. Stetig sinkende Preise und Löhne haben im letzten Jahrzehnt das Wachstum behindert. Dazu wollen die Liberaldemokraten parallel die Staatsausgaben erhöhen und mit viel neuem Beton das Land erdbebensicherer machen. Die LDP will auch an der Atomkraft als Energiequelle festhalten.

Streit mit China

Im Wahlkampf wird Oppositionsführer Abe auch das Verhältnis zu China zum Thema machen. Der Nationalist möchte wegen des Streits mit China über einige Inseln erstmals seit vielen Jahren Japans Verteidigungsausgaben erhöhen. Seine harte Haltung gegenüber China demonstrierte Abe in den letzten Wochen durch einen Besuch am Kriegsdenkmal Yasukuni-Schrein sowie einen Empfang des Dalai Lama. Beide Aktionen lösten wütende Proteste in Peking aus.