Die Heimat des Athletic Club de Bilbao

La Catedral de San Mamés

Im dritten Jahrhundert wurde unter Kaiser Aurelianus in Kappadozien ein Christ namens Mamas den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Diesem Märtyrer, auf spanisch San Mamés genannt, ist die Kathedrale von Bilbao geweiht, im Westen des Stadtkerns von Bilbao nahe am Fluss, wo die Euskalduna-Brücke eine elegante Schleife zum gegenüberliegenden Stadtteil Deusto zieht.

Die Gläubigen bestimmen, wo's lang geht

San Mamés selbst wird hier allerdings schon lange nicht mehr verehrt, vielmehr genießen heute die nach seinem Symboltier benannten "Leones" die Hingabe der Gläubigen, deren es so viele gibt, dass im Mai 2010, mitten in der Finanzkrise, der Grundstein für eine neue Kathedrale gelegt wurde. Die 35.479 Mitglieder des "Athletic Club de Bilbao" hatten das älteste Fußballstadion Spaniens – "La Catedral" genannt – regelmäßig an den Rand seiner Kapazitäten gebracht. Am 16. September 2013 wurde das neue Estadio de San Mamés feierlich eröffnet. Es ragt imposant über dem Ufer des Nervión auf und bietet 53.332 Zuschauern Platz.

Nur wenige Fußballklubs dürfen sich einer derartig kompromisslosen Unterstützung durch die Fans erfreuen wie der Athletic Club de Bilbao, und das liegt nicht allein an dem demokratischen Teilhaber-System, welches jedes Klubmitglied zum Mitbesitzer macht und ihm eine gleich starke Stimme verleiht, wenn es um wichtige Entscheidungen wie die Wahl des Präsidenten und des sportlichen Führungsteams geht.

Die Cantera-Philosophie

Es ist vor allem die traditionell restriktive Spieler-Politik, die Fans und Team zusammenschweißt - die berühmte Cantera-Philosophie des Athletic. "Cantera" heißt wörtlich Steinbruch, im übertragenen Sinn ist damit das einheimische Fußballer-Potenzial gemeint, der Nachwuchs aus den eigenen Reihen. Kein anderer Fußball-Klub hat sich dieser Cantera-Philosophie mit all ihren Vor- und Nachteilen so vehement verschrieben wie der Athletic Club de Bilbao.

1912, in einer Zeit, in der die baskischen Unabhängigkeitsbestrebungen einen starken Aufschwung erfuhren, hat der Athletic Bilbao damit aufgehört, ausländische, und das heißt hier: nichtbaskische Spieler zu engagieren. Keine Legionäre, kein Import-Export-Handel wie bei anderen Vereinen heißt die Devise bis heute - viel gerühmt, manchmal belächelt, oft diskutiert. Nur bei anderen baskischen Teams, vor allem beim CA Osasuna von Pamplona (ja, Navarra geht als baskisch durch!) und bei La Real Sociedad von San Sebastian wird nach neuen Spielern gefischt.

Nationalistischer Stolz

Die selbst auferlegte Beschränkung des Athletic in der Rekrutierung seiner Spieler lässt sich allerdings nicht immer ganz so exakt definieren, wie es einem Fans und Funktionäre gern weis machen wollen, und sie hat sich im Laufe der Geschichte auch immer wieder gewandelt. War es zu Beginn noch ein klar nationalistisch-politisches Statement, nur im Baskenland geborene Spieler zuzulassen, so hat sich dies über die Jahrzehnte und aus der Not am Mann ein wenig aufgeweicht. Inzwischen genügen baskische Vorfahren.

Vor einigen Jahrzehnten hatte man noch leichtfertig auf einen Ausnahmekönner wie Chus Pereda verzichtet, nur weil dieser in Burgos geboren wurde, und obwohl er seine ersten fußballerischen Sporen beim Bilbaíner Verein Indautxu verdient hatte. Der Athletic wäre Peredas Traumteam gewesen. Immerhin konnte er sich später für diese Demütigung rächen und schoss seine besten und spielentscheidenden Tore in der Kathedrale von San Mamés - als gefeierter Mittelfeldspieler des FC Barcelona.

Mittlerweile wurde auch ein sportliches Argument eingeführt, sodass nun auch Spieler zugelassen werden, die zumindest ihre fußballerische Ausbildung im Baskenland erfahren haben. Rassismus kann man dem Athletic also nicht mehr vorwerfen. Heute ist es eher umgekehrt: Da muss sich der Klub immer wieder rechtfertigen, warum dieser oder jener Spieler sehr wohl dabei sein darf, denn klare Statuten gibt es diesbezüglich nicht.

Teamgeist versus Superstars

Trotz seiner restriktiven Spielerpolitik ist es dem Athletic de Bilbao als einzigem spanischen Klub neben Real Madrid und dem FC Barcelona gelungen, sich durchgehend in der ersten Division zu halten, acht Mal die spanische Meisterschaft und 24 Mal die Copa del Rey zu gewinnen. Irgendetwas muss also dran sein an dieser Philosophie - zumindest ein Teamgeist der besonderen Art, wie man ihn bei einem Verein wie Madrid mit seinen Superstars aus aller Welt vergeblich sucht, auch wenn die rein technisch natürlich besser spielen.

Aber - apropos Madrid - auch budgetär hat der Cantera-Focus des Athletic Vorteile. Seine Finanzgebarung darf im Vergleich zu anderen Fußballvereinen als ziemlich solide bezeichnet werden. Zufall oder nicht - San Mamés ist Schutzpatron der Steuerberater.

Der einzige Ausländer im Team

Einen waschechten Ausländer aber gibt es traditionell beim Athletic de Bilbao: den Buchstaben H in seinem Namen. Als England im 19. Jahrhundert in großen Mengen Stahl aus den Hochöfen Bilbaos einkaufte, brachten die englischen Seeleute im Gegenzug den Basken das Fußballspielen bei. Der unter englischer Patronanz gegründete Klub behielt den englischen Namen bei. Nur während der Franco-Diktatur wurde man gezwungen, unter dem spanischen Namen Atletico zu spielen.

Der englische Name ist nur die subtilste Form der Abgrenzung von den übrigen spanischen Teams. Im Stadion selbst ist man naturgemäß etwas weniger elegant. Die in ganz Spanien übliche Form der Beleidigung des gegnerischen Tormanns mit den drei aneinander gereihten Schimpfwörtern "¡Cabrón! - ¡hijo puta! - ¡maricón!" (auf Deutsch in etwa: "Drecksau! Hurensohn! Schwuchtel!") hört man auch in der Kathedrale von San Mamés, hier allerdings erweitert um eine vierte, besonders abschätzige Beleidigung: "¡Es - pa - ñol!"