Strasser-Prozess: Juristen sind gespannt
Kommenden Montag startet am Wiener Landesgericht der Strafprozess gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen ÖVP-Delegationsleiter im Europa-Parlament Bestechlichkeit vor. Strasser bestreitet die Vorwürfe. Das Gericht wird im Prozess die spannende Rechtsfrage klären müssen, was bei einem Europa-Parlamentarier ein Amtsgeschäft ist.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 24.11.2012
Plan B der Verteidigung
Zwei britische Undercover Journalisten hatten Strasser als Lobbyisten getarnt in eine Videofalle gelockt. Bei den Mitschnitten ließ Strasser durchblicken, dass er für 100.000 Euro im Jahr bereit wäre, die Gesetzgebung im europäischen Parlament zu beeinflussen. "Ich war ein Depp", so verteidigte sich Ernst Strasser in einem seiner raren Interviews zur Causa im der Zeitschrift "Format". Er habe bloß versucht, im Alleingang zwei mutmaßliche Geheimagenten zu entlarven. Diese Verteidigungslinie wird der Ex-Innenminister auch im am Montag startenden Prozess aufrecht erhalten. Allerdings gibt es noch einen Plan B: Falls das Gericht dieser Argumentation keinen Glauben schenkt, dann will man ins Treffen führen, dass keine Bestechlichkeit vorliegt. Denn, so die Argumentation von Strassers Anwalt: Bei den Gesprächen mit den britischen Undercover-Journalisten sei es nicht um konkreten Ausschusstätigkeiten Strassers im Europaparlament gegangen. Und wo kein Amtsgeschäft vorliegt, könne auch keine Bestechlichkeit eines Amtsträgers vorgeworfen werden, so die Verteidigungslinie.
Lücken der Judikatur
Tatsächlich ist der § 304 im Strafgesetzbuch zur Bestechlichkeit von Amtsträgern, bisher kaum ausjudiziert, sagt der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer. Jedenfalls hätten die bisher bekannten Entscheidungen nicht das Europäische Parlament in Brüssel betroffen, sondern relativ unstreitige Amtstätigkeiten etwa im Rahmen einer Kfz-Begutachtung, aber nichts, was mit der Gesetzgebung zu tun hätte. Und für Abgeordnete im österreichischen Parlament, waren derartige Delikte bisher nicht strafbar, sagt Birklbauer. Die Gesetzesänderung tritt erst Anfang nächsten Jahres in Kraft.
Interessant für Rechtswissenschaft
Entsprechend gespannt wird der Prozess gegen Strasser daher auch an den Strafrechtsabteilungen der Universitäten beobachtet. Denn das Gericht wird die Rechtsfrage klären müssen, ob Strasser nun Bestechlichkeit bei einem Amtsgeschäft vorzuwerfen ist, oder ob gar kein Amtsgeschäft vorliegt und deshalb auch keine Straftat. Birklbauer erläutert: "Unter Amtsgeschäft versteht man Rechtshandlungen und Verrichtungen tatsächlicher Art, auch wenn sie nur eine vorbereitende oder unterstützende Funktion haben, wenn man sich Aufgaben eines Abgeordneten zum Europäischen Parlament anschaut, dann ist das eben die Mitwirkung an der europäischen Gesetzgebung und so weiter. Wenn er hier vorbereitend agiert, dann wäre man durchaus im Bereich des Amtgeschäftes.
Bis zur Letzten Instanz
Strassers Verteidiger argumentiert, unter Amtsgeschäft falle nur das was der ehemalige Delegationsleiter in seiner ureigensten Tätigkeit als Amtsträger zu tun hatte. also etwa seine Ausschusstätigkeit. Alles andere sei kein Amtsgeschäft. Die Wirtschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hingegen argumentiert als Anklagebehörde, dass nicht nur das Handheben in einem Ausschuss oder im Europaparlament ein Amtsgeschäft ist, sondern auch alle Aktivitäten rund herum. Also etwa Gespräche, Telefonate und E-Mails zu Gesetzesentwürfen. Diese Rechtsfrage muss nun das Schöffengericht prüfen. Birklbauer: "Wenn es mit seiner Funktion als Abgeordneter im weitesten Sinn zu tun hat und nichts Privates gewesen ist, wird es wohl Amtstätigkeit sein. Aber da muss man sich eben genau anschauen, was er versprochen hat und vor allem, was er dann versucht hat, an Einfluss geltend zu machen."
Wie auch immer der Prozess ausgeht, ob Schuld- oder Freispruch, eines ist gewiss: Die Causa, davon sind alle Rechtsexperten überzeugt, wird sicher noch den Obersten Gerichtshof beschäftigen um als letzte Instanz Rechtsklarheit zu schaffen.