Russland übernimmt G-20 Vorsitz

Russland übernimmt für ein Jahr den Vorsitz in der G20, der Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt. Russland will sich dabei als einer der bestimmenden Akteure der Weltpolitik präsentieren, wird dabei aber von vielen hausgemachten Problemen behindert.

Mittagsjournal, 1.12.2012

Aus Moskau,

Dunkle Wolken über eigener Wirtschaft

Wachstum und Beschäftigung - das sollen die Schwerpunkte der russischen Präsidentschaft der G20 werden, kündigt Sergei Ivanov an, der Vorsitzende der Kreml-Administration. Die internationalen Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen sollen verbessert werden. Fraglich was Russland den anderen Ländern der G20 hier erzählen will, die in internationalen Ranglisten fast alle besser dastehen - im Ranking des Geschäftsklimas der Weltbank zum Beispiel, hier liegt Russland weit abgeschlagen am 112. Platz. Trotzdem sei die Präsidentschaft für Russland eine Chance meint der Politologe Andrei Kortunov vom Russischen Rat für Internationale Politik: Das ganz hat auch symbolischen Wert, wenn etwa der G-20 Gipfel in einem Land durchgeführt wird bietet Aufmerksamkeit, ermöglicht es eigene Anliegen in den Vordergrund zu stellen und erhöht den internationalen Stellenwert.

Klar ist, dass nächsten September die ganze Welt für einige Tage nach St. Petersburg schauen wird, wenn dort der G20-Gipfel abgehalten wird. An den grundlegenden Problemen des Landes wird sich dadurch aber nichts ändern: Die Wirtschaft hängt fast vollständig vom Export von Öl- Gas und anderen Rohstoffen ab, die Industrie ist international nicht konkurrenzfähig, das Geschäfts- und Investitionsklima ist so schlecht, dass nicht einmal die Russen selbst in ihrem Land investieren wollen: Laut Schätzungen des Wirtschaftsministeriums werden heuer mindestens 70 Milliarden Dollar aus dem Land abfließen - netto, also nach Abzug der ausländischen Direktinvestitionen.

China keine Alternative

Außerdem haben sich die Verbindungen mit Europa, dem wichtigsten Wirtschaftspartner, zuletzt deutlich abgekühlt: Russland erwirtschaftet mehr als die Hälfte seines Außenhandels mit den EU-Ländern, von dort kommen auch drei Viertel der ausländischen Direktinvestitionen. Nachdem es wegen der Niederschlagung der Protestbewegung und der Verschärfung des politischen Klimas immer mehr Kritik aus Europa an Russland gab, hat Präsident Putin zuletzt angekündigt, sich stärker dem Osten zuzuwenden, China und dem Pazifischen Raum.

Das sei aber keine echte Alternative sagt Politikwissenschafter Kortunow: Man kann natürlich darüber fantasieren, dass Russland einen Sonderweg einschlägt, eine eigene Zivilisation sei. Aber wenn wir uns die Entwicklung des Landes anschauen, sozial, demographisch und so weiter, dann sehen wir dass wir einfach nicht das Potential haben, uns als eigenes unabhängiges Machtzentrum zu positionieren. Wir sind nicht China oder Indien.

Fraglich sei außerdem, wie ernsthaft und nachhaltig Russland die Präsidentschaft der G20 nutzen werde. Schlechtes Beispiel: Die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft APEC, deren Vorsitz Russland bis zum November innehatte, was vom Kreml ebenfalls als großes internationales Ereignis gefeiert wurde. An der ersten großen APEC-Konferenz nach Ende der eigenen Präsidentschaft wird Russland gar nicht erst teilnehmen.