Russland: Korruption, Geldwäsche, Mord
Der mysteriöse Tod eines russischen Geschäftsmannes in England - ein Fall wie aus einem Agenten-Krimi - sorgt seit Tagen für Aufsehen in Großbritannien, der Schweiz und Russland. Der Russe hatte den Schweizer Behörden Dokumente über milliardenschwere Geldwäscherei übergeben, betrieben von russischen Beamten. Der Fall steht in Verbindung mit jenem großen Korruptionsring, den der Moskauer Anwalt Sergeij Magnitski vor drei Jahren hatte auffliegen lassen, bevor er in einem Gefängnis zu Tode misshandelt wurde. Der neuerliche Todesfall eines Kronzeugen ist kein Zufall, vermuten russische Menschen- und Bürgerrechtler.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 1.12.2012
Erinnerungen an Litwinenko
Noch ist unklar, woran der 44-jährige Alexander Perepelitschni gestorben ist. Der russische Geschäftsmann, der seit einigen Jahren in England lebte, hatte sich vor seinem plötzlichen Tod beim Joggen jedenfalls nie über gesundheitliche Probleme beklagt. Erinnerungen an den ehemaligen russischen Spion und Kremlkritiker Alexander Litwinenko werden wach, der 2006 in London an einer Vergiftung durch die radioaktive Substanz Polonium starb. Jedenfalls prüfen nun die britischen Behörden in toxikologischen Gutachten, ob nicht auch Perepelitschni vergiftet wurde.
Der Geschäftsmann könnte für kriminelle Kreise in Russland unbequem geworden sein. Immerhin hatte er den Schweizer Behörden Dokumente übergeben, die nachweisen, dass hohe russische Beamte den Staat um Milliarden von Steuern betrogen hatten. Geld, das teilweise über Schweizer Banken reingewaschen wurde.
Der Bürgerrechtler Lew Ponomarjow vermutet, dass der mysteriöse Tod von Perepelitschni kein Zufall ist: "Es gibt keine Beweise, aber wir leben in einer Zeit, besonders in Russland, in der man davon ausgehen muss, dass der Mann nicht einfach so gestorben ist. Er hat offenbar über wertvolle Informationen verfügt, die zeigen, wie hohe russische Beamte Geld gewaschen und damit Immobilien im Ausland gekauft haben. Der Mann ist nicht umsonst gestorben."
Skandal um hohe Beamte
Alexander Perepelitschni ist bereits der vierte mysteriöse Todesfall im spektakulären Justizskandal um hochrangige russische Beamte, darunter Spitzenfunktionäre im Innenministerium, die durch dubiose Machenschaften Milliarden an Steuergeldern veruntreut hatten. Ursprünglich aufgeflogen ist das Betrugsnetz durch die Ermittlungen des Rechtsanwalts Sergej Magnitski. Er landete dann selbst wegen angeblichen Steuerbetrugs im Gefängnis und wurde dort 2009 zu Tode gefoltert. Bis heute wurden die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen.
Die russischen Behörden weisen jeden Zusammenhang zwischen dem Fall Magnitski und dem Tod von Perepilitschni in England zurück. Der Leiter der russischen Anti-Korruptionsbehörde, Kirill Kabanow, meint, es könnten Kreml-Gegner hinter dem ungeklärten Todesfall stecken: "Er könnte jenen nützen, die banale politische Ziele verfolgen und daran interessiert sind, die neue Amtszeit von Präsident Putin in einem bestimmten Licht erscheinen zu lassen."
Unterdessen hat die russische Staatsanwaltschaft vor kurzem Anklage gegen den toten Rechtsanwalt Magnitski erhoben, unter anderem wegen Steuerhinterziehung. Beobachter vermuten, dass durch den Prozess der Ruf von Magnitski zerstört und die von ihm beschuldigten korrupten Beamten entlastet werden sollen. Der Fall Magnitski birgt auch außenpolitischen Zündstoff: das amerikanische Repräsentantenhaus beschloss kürzlich ein Gesetz, das russische Staatsangehörige, die in den Skandal verwickelt sind, mit Sanktionen belegt. die russische Führung droht bereits mit Gegenmaßnahmen.