Gesundheitsministerium prüft Tamiflu

Das Gesundheitsministerium will prüfen, ob der österreichische Staat seine Lager mit dem Anti-Grippemittel Tamiflu kommendes Jahr auffüllen soll, sagt die Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit. Sie reagiert damit auf jüngste Kritik, die ein britischer Forscher in Wien an Tamiflu-Studien geäußert hat.

Morgenjournal, 8.12.2012

Kleines Zeitfenster für Wirksamkeit

Dass Tamiflu rasch nach Auftreten der ersten Grippesymptome genommen werden muss, war von Anfang an bekannt. Aber noch heuer haben der Pharmakonzern Roche und manche Experten von einem Abstand von maximal 48 Stunden gesprochen. Laut neuesten Studien ist der Zeitraum deutlich geringer, sagt die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit Pamela Rendi-Wagner: "Vom ersten Symptom bis zur Einnahme ist eigentlich, wenn man einen Effekt sehen will, der Zeitraum nicht viel größer als zwölf Stunden. Das ist ein sehr kleines Zeitfenster, wenn man bedenkt, dass sich ein Patient wahrscheinlich ein wenig Zeit lässt, bis er überhaupt den Arzt aufsucht, es ist ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Deswegen werden wahrscheinlich in der Mehrzahl der Fälle die zwölf oder 24 Stunden weitgehend überschritten und wir wissen, dass die Wirksamkeit dann sehr gering sein kann."

"Scharfe Evaluierung aller Tamiflu-Daten"

Und angesichts vehementer Kritik daran, dass Roche im Rahmen der Zulassung von Tamiflu erhobene Daten geheim halte, und womöglich nur positive aber nicht negative Daten an die europäische Zulassungsbehörde weitergegeben habe, kündigt Rendi-Wagner "eine scharfe Evaluierung aller Tamiflu-Daten" an. Und zwar bevor Österreich entscheidet, ob Österreich kommendes Jahr Tamiflu nachkauft. Das Ablaufdatum für 400 Fässer Tamiflu naht nämlich. Die Richtlinien, an wann und an wen dieses Tamiflu nur in einem Pandemie-Fall verteilt würde, seien bereits verschärft worden, sagt Rendi-Wagner: "Entweder Risikopatienten oder Pflegepersonal, das in engem Kontakt mit Virusausscheidern stehen kann und wenn es sich bekanntermaßen um einen hochpathogenen Virusstamm handelt, der eine hohe Sterblichkeitsrate hat."

Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen

Allerdings sei Tamiflu nach wie vor ein in Europa zugelassenes Medikament – auch zur Grippe-Vorbeugung. Sollen die Ärzte es verschrieben, wenn diesen Winter die Grippewelle kommt? "Ärzten kann ich dahin gehend nichts empfehlen, das ist der Hoheit der Ärzte vorbehalten", erklärt Rendi-Wagner.

Für Risikopatient jedenfalls, also für ältere Menschen oder Menschen mit Lungenerkrankung, werde Tamiflu weiterhin empfohlen. Und immerhin scheine das umstrittene Grippemittel kaum gravierende Nebenwirkungen zu haben – außer Übelkeit. Rendi-Wagner sagt: "In den letzten acht Jahren wurden elf Nebenwirkungen zu Tamiflu in Österreich gemeldet, davon aber keine als schwerwiegend."

EU plant neues Zulassungsverfahren

Zur Kritik an Roche sagt die Generaldirektorin im Gesundheitsministerium: "Wenn hier wirklich Daten unterschlagen wurden oder Studien hier nicht auf korrekte Weise im Rahmen der Zulassung gemacht wurden, dann ist das aufs Höchste verwerflich, dann muss natürlich von Seiten der Firma dieser Mangel behoben und diese Studien veröffentlicht werden."

Die EU arbeite bereits an transparenteren Zulassungsverfahren. Aber ob dann nicht mehr die Pharmakonzerne die Autoren von Zulassungsstudien bezahlen werden sondern die europäischen Staaten, das sei fraglich. Wohl auch weil es hohe Kosten bedeuten würde.