Neue Vorwürfe gegen Tamiflu-Hersteller

Der Schweizer Pharmakonzern Roche gerät zunehmend unter Druck. Einerseits droht Roche von der europäischen Arzneimittelbehörde eine Milliarden-Strafzahlung. Bei 19 Medikamenten sollen 80.000 Fälle von Nebenwirkungen nicht genau untersucht worden sein. Eines der Medikamente ist das Grippemittel Tamiflu. Und andererseits wird die Wirkung von Tamiflu massiv bezweifelt - von Forschern der renommierten Cochrane-Collaboration.

Mittagsjournal, 7.12.2012

"Bin hereingelegt worden"

Der Epidemie-Forscher Tom Jefferson fühlt sich schuldig. Denn 2006 hat er in einer Cochrane- Übersichtsstudie noch die Wirksamkeit von Tamiflu bestätigt und dadurch beigetragen dazu, dass Tamiflu für Roche zum Milliardengeschäft wurde. Ausgelöst durch Kritik von einem japanischen Forscher, entschuldigt sich Jefferson heute für seine damalige Veröffentlichung und sagt: "Ich bin hereingelegt worden. Ich habe einer Veröffentlichung in einem hoch angesehenen wissenschaftlichen Journal vertraut. Ich war zu leichtgläubig."

Jeffersons zentrale Kritik an Roche lautet: "Rund 60 Prozent der Behandlungs-Daten sind nicht veröffentlicht worden. Und die einzigen, die all die Daten gesehen haben, sind die Hersteller des Medikaments."

Es habe also keine echte Kontrolle von außen gegeben über alle Studien und alle Rohdaten. Dazu kämen andere Ungereimtheiten: Jefferson und die Cochrane-Collaboration haben versucht von mehreren Forschern die Rohdaten zu bekommen über die angebliche Wirkung von Tamiflu gegen schwerwiegende und potentiell tödliche Komplikationen bei Grippeerkrankungen. Aber der Versuch bei den Forschern war erfolglos: "Keiner von ihnen hat die Daten gehabt. Und eine der Studien ist sicher von einem Ghostwriter gewesen, ohne medizinische Qualifikation.

Zweifel steigen

Aus Jeffersons Sicht gibt es keinen Nachweis, dass Tamiflu gegen schwerwiegende Komplikationen bei Grippe-Erkrankungen wirkt. Bei leichten Erkrankungen verkürze es die Symptome nur um einen halben Tag, sagt er. Und auch der Wiener Virologe Franz-Xaver Heinz hat mittlerweile gewisse Zweifel an der Wirkung von Tamiflu.

Und die Gesundheits-Technologie-Expertin Claudia Wild vom Ludwig Boltzmann Institut meint: Aber hohe Beamte des Gesundheitsministeriums und von der Gesundheitsagentur Ages haben erst kürzlich von soliden Wirksamkeitstests über Tamiflu gesprochen. Und offenbar wird überlegt, dass Österreich nächstes Jahr tonnenweise Tamiflu nachkaufen könnte - für eine mögliche Grippe-Pandemie.

Und vom Roche Konzern heißt es heute, Tamiflu wirke gegen Dauer und Schwere der Influenza. Roche will ein Beratungsgremium zur Überprüfung der Studien einsetzen. Forscher Tom Jefferson traut diesen Plänen nicht und fordert die Veröffentlichung aller Rohdaten über Tamiflu.

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