Sozialarbeiterin Peter: "Keiner wird weggewiesen"

Einerseits ist der heutige 8. Dezember ein katholischer Marienfeiertag, anderseits wird fleißig eingekauft. Aber es gibt auch andere Geschichten: In der Mariahilfer Kirche ist die "Gruft", eine Einrichtung der Wiener Caritas. Hier ist ein Schlaf-, Versorgungs- und Beratungszentrum für Obdachlose untergebracht. Susanne Peter berichtet von ihrer Arbeit in der Gruft.

Mittagsjournal, 8.12.2012

"Gruft"-Sozialarbeiterin Susanne Peter im Journal zu Gast bei

Menschen liegen "Matte an Matte"

Die Wiener "Gruft", direkt an der Einkaufmeile Mariahilfer Straße, ist seit 1986 eine Institution. Gerade im Winter ist sie für viele Menschen besonders wichtig. Susanne Peter, Sozialarbeiterin in der Gruft, erzählt von ihrer Arbeit: "Wir versuchen einfach zu helfen, da zu sein. Das Leben jetzt im Winter ist noch stressiger als im Sommer, wenn man die Gefahr zu erfrieren nicht hat. Jetzt suchen viel mehr Menschen unsere Einrichtung auf. Es ist auch so, dass viele Menschen kommen, die Wohnmöglichkeiten haben, wo aber zum Beispiel Strom oder Fernwärme abgedreht worden ist, weil sie sich die Kosten nicht leisten haben können. Auch diese Menschen suchen bei uns jetzt Unterstützung. Jetzt schlafen um die 80 Personen bei uns. Das Ziel ist, dass niemand erfriert, dass man schaut, dass jeder irgendwo unterkommen kann. Es ist wirklich Matte an Matte, damit sich mehr Menschen bei uns ausgehen."

"Gruft" hilft auch Ausländern

Die Obdachlosen kommen nicht nur aus Wien, Peter erklärt: "Sie kommen von überall her, von den Bundesländern, aus dem Ausland. Wir versuchen zu schauen, welche Perspektiven es gibt, wie man helfen kann. Wir versuchen rasch zu helfen, Nothilfe anzubieten: Entweder, dass man bei uns schlafen kann oder dass man ein Notquartier anbietet und dann anschaut, wo es hingehen kann. Einfach auch die Hilfe mit Essen, Kleidung, Duschen, dass die Grundbedürfnisse der Menschen gedeckt sind." In der Gruft sind überwiegend Österreicher. "Es gibt die zweite Gruft in der Lacknergasse. Die ist vorrangig für EU-Bürger", sagt die Sozialarbeiterin und betont: "Wenn jetzt jemand da steht, der EU-Bürger ist oder von irgendeinem anderen Ausland ist, wird von uns keiner weggewiesen. Es ist auch jetzt schon so, dass die zweite "Gruft" überfüllt ist und wir in den letzten Tagen und Nächten Anrufe bekommen, ob wir noch Platz haben. Dann kann man zu uns kommen und wir schauen dann, ob es für den nächsten Tag ein Notquartier gibt, aber es wird von uns keiner abgewiesen."

Leid ist "sehr individuell"

Unter den Menschen, die die Gruft aufsuchen, sind auch sehr viele Frauen, denen man nicht ansehen würde, dass sie obdachlos sind. Susanne Peter weiß mehr über ihre Klienten: "Das sind Menschen, die vielleicht keine richtige Ausbildung haben oder Menschen, die in Burn-out gerutscht oder psychisch krank sind, keine Familie, keinen Halt haben oder die sich der Familie zum Beispiel nicht sagen trauen, was mit ihnen passiert ist. Wir versuchen sie dann aufzufangen. Wichtig ist auch, dass wir Einkommen klären, Dokumente beschaffen. Ich glaube nicht, dass es "das Typische" gibt. Das ist wirklich sehr individuell. Wohnungsverlust ist oft ein Auslöser. Ich glaube, dass es sehr früh schon in der Kindheit beginnt, wenn man dieses Grundvertrauen nicht bekommt, wenn man diese Grundsicherheit in der Kindheit nicht hat, dass man sich auf Menschen, die Eltern, verlassen kann. Ich habe jetzt jemanden, der seit 30 Jahren Spieler ist und jetzt, mit über 40, das erste Mal Hilfe in Anspruch nimmt. Er hat sich so geschämt, dass er dieses Problem hat und hat sich nie Unterstützung geholt."

Aus Schmalzbroten wurden 90.000 Mahlzeiten

Laut einer Statistik wurden über 90.000 Mahlzeiten im Jahr 2011 in der Gruft ausgegeben, heuer rechnet man mit über 100.000. "Ich glaube schon, dass die Armut mehr wird. Es gibt immer mehr Leute, die Hilfe bei uns suchen, die sich das Essen, Gas, Strom oder Fernwärme nicht mehr leisten können. Die Mieten werden teurer. Es geht sehr viel Geld für die Wohnung auf, man kann sich dann das tägliche Leben nicht mehr leisten. Viele finden keinen Job, haben keinen Job oder nur irgendwelche geringfügige Beschäftigungen", beschreibt Peter die Lage.

Alles hat mit einem Schulprojekt begonnen, Susanne Peter beschreibt die Anfänge: "Wir haben 1986 mit einer Schulklasse mit 16-jährigen Schülerinnen angefangen. Die Frage war damals: Tun Christen auch etwas oder reden sie nur? Wir haben von 14:00 bis 16:00 Uhr hier ein Schmalzbrot ausgegeben, nichts ahnend, wer diese Menschen sind und worauf wir uns da einlassen. Es war auch ein Stück weit Abenteuer. Ich bin total stolz, dass das dann daraus geworden ist. Wir haben aus den Bedürfnissen der Klienten gelernt."