Ägyten: Demos pro und contra Referendum

Für heute hat das ägyptische Militär einen erneuten Dialog zwischen dem Präsidenten Muhamamd Mursi und der Opposition angekündigt. Doch noch gestern Abend waren die streitenden Parteien auf der Straße. Die Muslimbrüder mobilisierten für das umstrittene Verfassungsreferendum, das am Samstag stattfinden soll. Die liberalen Verfassungsgegner kämpfen noch damit, eine einheitliche Linie zu finden. Nein stimmen oder Boykott ist für sie die Frage.

Morgenjournal, 12.12.2012

Zehntausende Teilnehmer

In Kairo versammelten sich am Abend Tausende Gegner und Anhänger des Präsidenten zu Kundgebungen. Am Nachmittag nahmen Mursi-Gegner eine Metallabsperrung vor dem Präsidentenpalast auseinander und rissen mit Ketten Betonblöcke aus einer Mauer, die von der Armee zum Schutz des Palastes errichtet worden war. Die Soldaten zogen sich darauf näher zum Palast hin zurück, der durch eine weitere hohe Mauer geschützt ist. Mursi hatte die Armee am Montag per Dekret dazu befugt, Zivilisten festzunehmen und so die Polizei zu unterstützen.

Einige Kilometer entfernt kamen Zehntausende Unterstützer der islamistischen Führung um Mursi im Stadtteil Nasr-City zusammen. Anhänger des liberal-säkularen Oppositionsbündnisses Nationale Heilsfront unter dem Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers Mohammed ElBaradei demonstrierten auf dem zentralen Tahrir-Platz. Am Nachmittag seien elf Menschen verletzt worden, als Unbekannte auf dem Tahrir-Platz auf Demonstranten geschossen und Molotow-Cocktails geworfen hätten, teilte das Gesundheitsministerium mit.

Demos auch in Alexandria

Auch in Ägyptens zweitgrößter Stadt Alexandria gingen Tausende rivalisierende Demonstranten an verschiedenen Orten auf die Straße. Mursis Anhänger riefen: "Das Volk will die Einführung des islamischen Rechts." Seine Gegner skandierten: "Das Volk will das Regime stürzen." Ägyptische Zeitungen warnten vor neuen blutigen Zusammenstößen zwischen Mursi-Anhängern und -Gegnern wie am vergangenen Mittwoch. Damals waren sieben Menschen getötet worden.

Mursi hatte am Samstag ein umstrittenes Dekret außer Kraft gesetzt, mit dem er sich Sondervollmachten gegeben hatte. Dies ging der Opposition jedoch nicht weit genug, weil Mursi am Termin für das Verfassungsreferendum am kommenden Samstag festhält. Die Opposition lehnt den von der Verfassungsversammlung geschrieben Entwurf ab, weil dieser die Handschrift der in der Versammlung dominierenden Islamisten trägt.

Armeechef lädt zur Aussprache

Nun hat sich die Armee in den Streit um das geplante Verfassungsreferendum eingeschaltet. Der ägyptische Verteidigungsminister und Armeechef Abdel Fattah al-Sissi lud nach den tagelangen Massenprotesten Präsident Mursi sowie Vertreter aller Lager zu einem Treffen ein, wie die Nachrichtenagentur Mena meldete. Ein Berater Mursis sagte, der Präsident unterstütze die Aufforderung des Militärs zum Dialog. Die Muslimbruderschaft sagte ihr Kommen zu und betonte, es wäre unangemessen der von Mursi mitgetragenen Einladung nicht zu folgen. Die Muslimbrüder hatten Mursi bei den Wahlen im Juni zum Sieg verholfen. (Text: APA, Red.)

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