Garage X: "We love Africa"
Der Inzestfall in Amstetten diente als Vorlage für eine skandinavische Off-Theater-Produktion, die bei den vergangenen Wiener Festwochen zu sehen war und bei Teilen des Publikums für Verstörung sorgte. Das preisgekrönte Stück hat nun eine Fortsetzung gefunden: "We love Africa and Africa loves us" lautet die neue Produktion der schwedisch-finnischen Truppe, die gestern im Wiener Theater Garage X ihre Österreich-Premiere erlebte.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 14.12.2012
Nicht nur der Keller wird manchmal zum Tatort, sondern auch das ganz normale bürgerliche Wohnzimmer. Diese erschreckende Realität wird zum Grundmotiv im Stück "We love Africa and Africa loves us", einer popmusikalisch aufgeladenen Theaterperformance.
Das Stück setzt dort an, wo das Vorgängerwerk "Conte d' amour" aufgehört hat: In dieser ersten Koproduktion des schwedischen Theaters "Institutet" und des finnischen Nya Rampen, zu sehen bei den letzten Wiener Festwochen, war der Ort des Geschehens ein Keller.
Dort standen willfährige Kinder einem allmächtigen Vater zu Verfügung. Nun ist die Familie ins Erdgeschoß hinaufgewandert; doch auch hier spielt sich alles hinter einer dicken Mauer ab. Das Publikum blickt pausenlos auf eine Wand; von einem lieblichen weißen Zäunchen umgeben, dient sie als Projektionsfläche für die Live-Videos, die das Geschehen im Inneren zeigen.
Sex und Macht in einer Familie
Eine typische westliche Kleinfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und zwei Söhnen, erweist sich hier als Konstellation aus Sex und Macht, aus der es kein Entrinnen gibt.
Harmlose Spiele entwickeln sich zu demütigenden Ritualen, in denen der Vater seine Begierden auszuleben und seine Macht zu festigen versucht. Zum Opfer wird dabei vor allem jener Sohn, der vom Rest der Familie der Homosexualität verdächtigt wird.
Im Keller ist Afrika
Auch der Keller spielt im Verlauf des Stücks wieder eine Rolle: Dort befindet sich diesmal Afrika; ein Ort, den sich die Familie als wild und authentisch, aber auch dunkel und chaotisch vorstellt.
Afrika wird jenes Andere, das die Familie braucht, um sich abzugrenzen; eine Projektionsfläche für innerfamiliäre Abgründe. Der Wunsch, kleinen Afrikanern zu helfen, wächst sich beim Vater am Höhepunkt des Abends zu einer wahren Ekstase aus, wie man sie sonst mit alten Stammes-Ritualen in Verbindung bringen würde.
Licht und Dunkelheit
Die Metapher von Licht und Dunkelheit durchzieht nicht nur das Stück: Sie sei von jeher in die Beziehung zwischen der westlichen Familie und Afrika eingebrannt, heißt es im Programmtext. Sogar die Ästhetik von Entwicklungshilfe-Galas sei davon geprägt, erklären die Theatermacher aus Skandinavien rund um den schwedischen Künstler Markus Öhrn.
Sprache setzen sie in ihrer Produktion reduziert und gezielt ein; daneben ist dieser Abend von viel Körpereinsatz und einigen selbstgeschriebenen, eindringlichen Popnummern geprägt.
Zwischen Lachen und Schaudern
Oft muss man sich an diesem Abend zwischen Lachen und Schaudern entscheiden. Während in der Vorgängerproduktion "Conte d' amour" jedoch das Publikum zur Hälfte vorzeitig den Saal verlassen hat, blieben gestern Abend in der Garage X fast alle sitzen. Am Ende gab es freundlichen Applaus mit einzelnen Bravorufen.
Service
Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Theater Garage X ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).
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