Der neue Bericht an den Club of Rome

2052

Zukunftsforschung hat immer einen schlechten Beigeschmack, es ist wie mit der Astrologie: Die Ergebnisse sind stark von den Wünschen abhängig - oder von der Phantasie der Autoren und Wissenschaftler, die Aussagen über die nächsten Jahrzehnte machen.

Womit wir beim nächsten Problem wären: Zukunftsforschung ist ein breites Feld für jeden, der sich berufen fühlt, den Menschen Angst oder Hoffnung zu machen. Qualifikation braucht man dazu keine. Dem norwegischen Klimaforscher Jorgen Randers kann man nicht den Vorwurf machen, er wolle sich mit pseudowissenschaftlichen Methoden hervortun - im Gegenteil, er ist ein nüchterner Analytiker der herrschenden Verhältnisse. Sein Fachgebiet ist aber per se auf zukünftige Entwicklungen ausgerichtet. Das heißt: Er muss Annahmen treffen, wie sich das Klima unter bestimmten Bedingungen verändern kann. Hellsehen kann er zwar auch nicht, er kann allerdings Möglichkeiten aufzeigen. Das tut er auch in seinem Blick auf die Welt in 40 Jahren.

Das ist eine überschaubare Distanz, anders als im ersten Bericht an den Club of Rome mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums" aus dem Jahr 1972, an dem Randers auch schon beteiligt war. Damals schaute man gleich 130 Jahre voraus und musste eingestehen, dass man seriös gar nicht beurteilen könne, welche Technologien in diesem Zeitraum zu welchen Entwicklungen führen können. Für die kommenden 40 Jahre lassen sich - natürlich auch immer nur von unserem gegenwärtigen Wissen und Bewusstseinsstand ausgehend - vernünftigere Prognosen aufstellen.

Gebrauchsanweisung für die Zukunft

Für Jorgen Randers und seine Mitautoren gibt es fünf zentrale Themen: Kapitalismus, Klima, Energie, Bevölkerungswachstum und Demokratie-Entwicklung. Fünf Themen, die unter dem schon recht strapazierten Begriff "Nachhaltigkeit" diskutiert werden. Das läuft dann zwangsläufig auf eine Gebrauchsanweisung für die Zukunft hinaus, denn es gilt immer etwas zu verhindern, abzuschwächen, umzuleiten oder aufzugeben, um den Zusammenbruch, die Katastrophe zu vermeiden.

"Mir gefällt meine eigene Prognose ja auch nicht", sagt Randers im Gespräch. "Wenn ich König wäre, hätte ich eine andere Zukunft im Sinn. Der Grund für meinen negativen Ausblick auf die Entwicklung des Klimas ist der, dass wir zu wenig tun, obwohl wir technologisch und finanziell in der Lage sind, die Probleme zu lösen."

Den Klimakollaps abwehren

Klimaforscher wie Jorgen Randers argumentieren immer gern vom Ende her, das haben sie mit Kulturpessimisten und Apokalyptikern gemeinsam. Zuerst werden wir mit unserem Untergang konfrontiert, dann wird uns aber doch die gute Nachricht zugestellt: Es kommt vermutlich nicht so schlimm, wenn wir uns ein wenig am Riemen reißen.

Um den Klimakollaps abzuwehren, müssten wir das Bruttosozialprodukt eines halben Jahres aufwenden, so Randers: "Auch wenn es billig ist, ist es teurer als gar nichts zu tun und nur an den privaten Konsum zu denken, anstatt nachfolgenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen."

Konkret heißt das, dass, wenn wir nichts unternehmen, bis zum Jahr 2052 die durchschnittliche Temperatur um zwei Grad ansteigt. Die Folgen werden seit vielen Jahren in Medienberichten geschildert: Extremwetter, Trockenheit, Unbewohnbarkeit einiger Weltregionen.

Wenig Einsatz, nachhaltige Effekte

Über die Frage, wie und ob sich der Klimawandel aufhalten lässt, gibt es unterschiedliche Meinungen. Randers jedenfalls geht davon aus, dass mit relativ wenig Einsatz immer noch hohe und nachhaltige Effekte zu erzielen sind. Als Vorreiter des Klimaschutzes - und jetzt wird's spannend - bezeichnet er China, jenes Land also, das im Augenblick neben den USA als größter Umweltsünder gilt:

"Die Chinesen verstehen das Problem sehr gut, aus den vergangenen Fünfjahresplänen lassen sich konkrete Bemühungen in Richtung erneuerbare Energien erkennen, die gehen schon viel weiter als bei uns im Westen. Es würde mich nicht wundern, wenn uns die Chinesen bei der Windkraft oder bei Elektroautos rasch überholen."

Das hat für Jorgen Randers einen Grund. China ist bekanntermaßen kein demokratisches Land, seine Regierung kann Maßnahmen durchsetzen, ohne auf den Interessensausgleich zu achten. Mitbestimmung und Widerstand gibt es kaum. Letzterer lässt sich zudem unter Einsatz von Gewalt brechen.

In westlichen Demokratien hingegen, so Randers, sei politisches Handeln immer auf Kompromissfindung oder die Wiederwahl von Parteien ausgerichtet. Keine gute Voraussetzung für langfristige Entscheidungen. Vorsichtig ausgedrückt heißt das: die Demokratie muss sich der Realität anpassen, man soll von China lernen, wie Jorgen Randers das ausdrückt. Das heißt: nicht mehr in Legislaturperioden, sondern langfristig denken und Einzelinteressen globalen Interessen unterordnen. Das muss nicht zwangsläufig zur Diktatur führen, auch nicht zu einer gemäßigten.

"Ich hoffe auf eine weltweit agierende Zentralbank für Treibhausgasemissionen", sagt Randers, "eine supranationale Institution, die den Ausstoß von CO2 kontrolliert, jedem Land bestimmte Emissionen zuteilt und die Macht hat, sich über die Politik zu stellen."

Plädoyer für eine veränderte Weltgesellschaft

Jorgen Randers' Blick in die Zukunft ist vor allem ein Plädoyer für eine veränderte Weltgesellschaft. Es sind nicht mehr Einzelmaßnahmen, mit denen das Klima oder die Wirtschaft repariert werden können, vielmehr soll eine globale Community abseits nationaler Interessen Regeln aufstellen und umsetzen, damit man überhaupt erst die Basis für zukünftiges Handeln errichten kann. Das mag utopisch klingen und vor allem demokratiepolitisch prekär anmuten, doch mit der Idee, das Nationale im Interesse des Globalen aufzugeben, ist Randers nicht allein.

Auf globale Probleme muss es globale Antworten geben, da nützt keine Rückbesinnung auf das Regionale, so heimelig das sein mag. Das Glück im Winkel war immer schon ein geborgtes Glück und damit abhängig von den Launen jener, denen es um das große Ganze und um ihren Vorteil geht. Da ist Jorgen Randers Gedanke einer aktiven globalen Community, die um der Zukunft willen dem eigenen Leben einen sanften Drall in eine andere Richtung gibt, nicht der unangenehmste.

Service

Jorgen Randers, "2052. Der neue Bericht an den Club of Rome", übersetzt von Anette Bus u. a., Oekom Verlag

Oekom Verlag - 2052