Umstrittene Amnestie in Tschechien

In Tschechien herrscht Aufregung über den jüngsten Amnestieerlass von Präsident Vaclav Klaus. Fast ein Drittel aller Gefangenen soll freigelassen werden, darunter auch viele Verantwortliche der größten Korruptions- und Betrugsfälle der letzten Jahre.

Morgenjournal, 4.1.2013

Mehr als eine Teilamnestie

Es war einige wenige Sätze seiner Neujahrsansprache, mit der der tschechische Präsident seither für immense Aufregung im Lande sorgte: "Sehr geehrte Mitbürger, aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der Tschechischen Republik erkläre ich hiermit eine Teilamnestie, die mit 2. Jänner in Kraft treten wird." Begnadigt werden all jene, deren Strafausmaß nicht höher als ein Jahr ist bzw. Gefangene, die älter als 75 sind. Insgesamt betrifft das mehr als 7.500 Gefangene, die nun in den nächsten Tagen freigelassen werden. Das ist immerhin fast ein Drittel aller tschechischen Gefängnisinsassen. Von einer Teilamnestie, wie sie Vaclav Klaus angekündigt hat, könne da keine Rede mehr sein, so die Kritik.

Viele Tschechen sind um ihre Sicherheit besorgt, die Polizei werde vermehrt nun auf Streife gehen, kündigt man jetzt im tschechischen Innenministerium an. Die Sicherheitsfrage rückt aber immer mehr in den Hintergrund, seit ein weiterer Punkt des Amnestieerlasses bekannt wurde: Denn von der Begnadigung sollen auch jene profitieren, die gar noch nicht rechtmäßig verurteilt wurden, deren Gerichtsverfahren aber schon mehr als acht Jahre lang dauern. Und darunter fallen vor allem Fälle der Wirtschaftskriminalität.

"Amnestie für Wirtschaftskriminelle"

Eliska Wangerova, ehemalige Verfassungsrichterin und Senatorin für die tschechischen Grünen ist empört. "So etwas hat es überhaupt noch nie gegeben. Eine so breite Amnestie und dann eine, die sich auch auf die Länge von Prozessen bezieht. Das kann es nicht geben. Ich weiß aus Erfahrung, dass manche Fälle einfach lange brauchen. Das Gesetz ist richtig zugeschnitten, jene zu entlasten, die für die größten Korruptions-und Betrugsfälle der letzten Jahre verantwortlich zu sein."

Ähnlich die größte Oppositionspartei, die tschechischen Sozialdemokraten. Vaclav Klaus wolle wohl noch kurz vor Auslaufen seiner Amtszeit Parteifreunden und Wirtschaftsbossen ein Abschiedsgeschenk in Form von Strafffreiheit gewähren, so Jeronym Tejc, Klubchef der Sozialdemokraten im Parlament in Prag: "Diese Amnestie ist einfach zu breit und wir vermuten, dass die mehr als 7.000 Entlassenen nur ein Feigenblatt sind, um die Amnestie für die Wirtschaftskriminellen zu überdecken. "So ein Quatsch", kontert Ladislav Jakl, der Sekretär des tschechischen Präsidenten. "Das ist total ausgeschlossen, dass Täter schwerer Wirtschaftsdelikte freigesetzt werden."

Je mehr Details über die Ausmaße des Amnestieerlasses bekannt werden, desto größer der Zorn in der Bevölkerung. Die Präsidentschaftskanzlei und die Regierung werden mit Emails bombardiert, auf Facebook wird harsche Kritik gepostet. Vaclav Klaus ist derzeit auf Tauchstation. Nur schriftlich verteidigte er bisher seinen Amnestieerlass und zwar als Geste, jemandem eine zweite Chance zu geben. Für viele in Tschechien eine zynische Ansage.