Empörung über "Russen" Depardieu

Der französische Filmstar Gerard Depardieu ist jetzt Russe. Der russische Präsident Wladimir Putin hat diesem per Dekret die Staatsbürgerschaft verliehen. Nun tobt ein Sturm der Kritik durch die Medien und sozialen Netze. Besonders ein offener Brief Depardieus, der gestern im russischen Staatsfernsehen veröffentlicht wurde, sorgt für Empörung: Dort spricht der Filmstar von seiner Liebe zu Putin und lobt Russland als große Demokratie.

Mittagsjournal, 4.1.2013

"Ich liebe Russland"

Die Nachricht wurde vom staatlichen russischen Fernsehsender "Erster Kanal" zur besten Sendezeit genüsslich verkündet: "Ich liebe Russland, die Menschen, die Schriftsteller, man lebt dort gut, es gibt wunderbare Orte", zitiert der Nachrichtenmoderator aus dem offenen Brief Depardieus. Weiter schreibt der Schauspieler, er liebe den Präsident Putin und das beruhe auf Gegenseitigkeit. Russland sei eine große Demokratie, betont Depardieu zudem und schließt mit den Worten: "Ehre sei Russland." Ein Ruf, der vor allem von russischen Nationalisten gern verwendet wird.

Die Staatsführung freut sich unverhohlen über den neuen Staatsbürger: Vizeregierungschef Dmitri Rogosin twittert, dass wohl eine Massenemigration reicher Bürger aus dem Ausland einsetze, wenn erst einmal bekannt sei, dass man in Russland nur 13 Prozent Einkommenssteuer zahle. Auch Präsident Putin, der gerne mit antiwestlicher Rhetorik aufhorchen lässt, dürfte sich freuen, dass ein weltbekannter Filmstar Europa den Rücken kehren und in Russland Zuflucht suchen will.

"Gerard, komm' zu uns!"

Doch in weiten Kreisen der Bevölkerung sorgt die Einbürgerung Depardieus für Empörung und Spott. Die Blogs im Internet quellen über mit bissigen Kommentaren: Von einer gelungenen PR-Aktion Putins ist die Rede und davon, dass Depardieu in Russland zwar weniger Steuern zahlen werde, diese aber direkt in die Taschen von korrupten Beamten fließen. Andere empören sich, dass tausende ehemalige Sowjetbürger, darunter Olympiasportler, im Gegensatz zu Depardieu keinen russischen Pass erhielten.

Für besondere Entrüstung sorgt jedoch die Aussage Depardieus, Russland sei eine große Demokratie. Kaum über ein anderes Thema wird im Radio heute so heftig debattiert: "Diesen Satz vergessen und verzeihen wir nie", kritisiert der Moderator Matwej Ganapolski von Radio Echo Moskaus: "In Russland lebt man gut, sagt er, das ist unverzeihlich, das Land liegt darnieder." - "Gerard, komm mit deinem neuen Pass und demonstriere mit uns für die Freiheit", ätzt unterdessen Oppositionspolitiker Eduard Limonow. Er organisiert regelmäßig in Moskau Kundgebungen für das Recht auf Versammlungsfreiheit, das die russische Staatsführung verletzt.

Und auch der regierungskritische Schriftsteller Viktor Schenderowitsch fordert im Radio Depardieu auf, tatsächlich nach Russland zu kommen: "Depardieu kommt nun anstelle jener drei Millionen RUssen, die unter Putin das Land verlassen haben, weil sie die Korruption und die Unfreiheit nicht mehr aushalten. Jetzt soll er kommen, seine Enkel, Urenkel und Freunde mitbringen und hier leben. Nicht wie ein Promi oder die Elite, nein, wie ein ganz normaler Bürger."

Kritik an Auftritten

Depardieu ist zwar bei vielen Russen sehr beliebt, unter anderem tritt er regelmäßig auf und ist in Werbespots zu sehen. Immer lauter wird die Kritik jedoch an seinen Auftritten an der Seite von autoritären Machthabern: Letztes Jahr feierte er mit Tschetscheniens Machthaber Kadyrow Geburtstag und auch mit der Tochter des usbekischen Staatsführers Karimow soll er ein Ständchen gesungen haben. Die Lobeshymne auf Russlands Freiheit dürfte der Popularität Depardieus weitere Kratzer zufügen.