Steuerflüchtling Depardieu wird Belgier

Der Schauspieler Gerard Depardieu flüchtet vor den Steuerplänen der französischen Sozialisten in ein belgisches Dorf. Als Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault ihm daraufhin attestierte, erbärmlich zu handeln, konterte Depardieu mit der Rückgabe seines französischen Passes und der Sozialversicherungskarte. Die Diskussion über höhere Steuern für Superreiche brodelt.

Mittagsjournal, 17.12.2012

"Wer sind sie denn, um so über mich zu urteilen?"

Theatralisch und in Anlehnung an eine Filmszene eröffnet Depardieu seine Tirade an den Premierminister mit den Worten: "Erbärmlich. Sie haben gesagt "erbärmlich"? Wie erbärmlich das doch ist." Um dann darauf zu verweisen, dass kein anderer Steuerflüchtling so beschimpft worden sei, wie er. "Wer sind sie denn, Herr Ayrault, um so über mich zu urteilen, ich frage Sie das", fährt er fort und schreibt: "Wir haben nicht mehr dasselbe Vaterland, ich bin ein echter Europäer, ein Weltbürger und gebe meinen Pass zurück."

Minister üben heftige Kritik

Dies kann Depardieu allerdings erst tun, wenn er eine neue Staatsbürgerschaft hat. Für die belgische braucht es, wenn er Glück hat ein Jahr, wahrscheinlich aber vier Jahre und der französische Fiskus wird genau beobachten, ob der Filmstar wirklich mehr als sechs Monate pro Jahr im belgischen Kaff Néchin einen Kilometer hinter der Grenze lebt. Sein offener Brief hat jedenfalls erneut eine Welle der Empörung ausgelöst. Arbeitsminister Sapin meinte: "Abgesehen von seiner Persönlichkeit und seinem Talent ist das eine Art Verfall, der schade ist. Dieses Verhalten ist nicht auf der Höhe des Schauspielers Depardieu."

Und Kulturministerin Filipetti, die seit Tagen darauf verweist, dass auch Depardieu Jahrzehnte lang von dem einzigartigen französischen System der Filmförderung profitiert hat, finanziert von einem Staat, dem er nun schnöde den Rücken kehrt, konnte nach dem offenen Brief nur schwer an sich halten: "Es tut mir leid, ich habe keinerlei Verständnis für dieses Verhalten und Depardieu hätte besser daran getan, beim Stummfilm zu bleiben."

Französischer "Steuerwahnsinn"

Selbst die konservative Opposition hat Depardieus Steuerflucht nicht übermäßig ausgeschlachtet, um gegen die Politik der sozialistischen Regierung zu protestieren. Nur ihr Abgeordneter und Vorsitzender des Finanzausschusses im Parlament, Carrez, gab gestern zu bedenken: "Was mich angesichts dieser exzessiven Reaktion Depardieus beunruhigt, sind Hunderte oder Tausende, die schon weg sind oder ihren Umzug vorbereiten. Wir haben ein Interesse daran, unsere Reichen hier zu behalten."

Und Arbeitgeberverbandspräsidentin Parisot sagte: "In diesem Land ist heute ein Steuerwahnsinn am Werk. Ich rede nicht von der Besteuerung der Personen, sondern von der der Unternehmen."

Steuerlast bis zu 75 Prozent

Konkret hat die Regierung einen neuen Steuersatz von 45 Prozent für Einkommen von über 150.000 Euro jährlich eingeführt, die Vermögenssteuer zum alten Satz wieder etabliert, für die nächsten zwei Jahren den Teil von Einkommen , der über ein Million liegt mit 75 Prozent besteuert, die Erbschaftssteuer wieder auf das Niveau gesetzt, wie in der Zeit vor Sarkozy und die Unternehmenssteuern für Großbetriebe erhöht.

Inwieweit diese Maßnahmen vermögende Franzosen derzeit wirklich massenhaft aus dem Land vertreiben, lässt sich exakt nur schwer sagen – Makler von Luxusimmobilien, Steueranwälte in Brüssel und London melden zunehmende Aktivitäten . Einer aber kehrt just dieser Tage aus zehnjährigem irischen Steuerexil zurück: Michel Houellebecq, mit der Bemerkung, Geld sei nicht alles.