Das Haas-Haus

Den Anfang unserer Architektur-Serie macht ein Gebäude, das an der ersten Adresse der Stadt steht und einst stark umstritten war: das Haas-Haus am Wiener Stock-im-Eisenplatz, gleich vis-à-vis vom Stephansdom. Von Hans Hollein entworfen, wurde es 1990 als exklusiver Einkaufstempel eröffnet.

  • Das Teppichhaus „Philipp Haas & Söhne“ Ende des 19. Jahrhunderts

    Das Teppichhaus „Philipp Haas & Söhne“ Ende des 19. Jahrhunderts

    (c) Urheber unbekannt

  • Haas Haus

    Haas-Haus in der Nachkriegszeit

    (c) Madensky; Architekturzentrum Wien

  • Haas Haus

    Haas-Haus in der Nachkriegszeit

    (c) Madensky; Architekturzentrum Wien

  • Haas Haus

    Haas-Haus II, Innenansicht

    (c) Madensky; Architekturzentrum Wien

  • Haas Haus

    Das Haas-Haus von Hans Hollein

    (c) PFARRHOFER, APA

  • Haas Haus

    (c) Martina Frühwirth, Architekturzentrum Wien

  • Innenanschicht Haas Haus

    Ehemaliges Atrium

    (c) Schimmer, ORF

  • Skulptur im Haas Haus

    Ehemaliges Atrium

    (c) Schimmer, ORF

  • Decke im Haas Haus

    Ehemalige Deckengestaltung im Erdgeschoss

    (c) Schimmer, ORF

  • Innenanschicht Haas Haus

    Ehemalige Geschäftszone - um das mittlerweile verbaute Atrium gelegen.

    (c) Schimmer, ORF

  • Leuchtschrift

    Der ehemals offene Erdgeschoss-Bereich ist ...

    (c) Schimmer, ORF

  • Geschoss-Tafeln

    ... ein konventionelles viergeschoßiges Kaufhaus geworden.

    (c) Schimmer, ORF

  • Haas Haus

    Die Paneele grenzen den heutigen Zugang zum Aufzug vom ehemaligen Atrium ab.

    (c) Schimmer, ORF

  • Aufzug

    Die Aufzüge haben alle Umbauten überstanden.

    (c) Schimmer, ORF

  • Haas Haus

    Das Café hat die Veränderungen der letzten Jahre ebenfalls überdauert.

    (c) Schimmer, ORF

  • Haas Haus

    Und damit auch der Blick auf den "Steffl"

    (c) Schimmer, ORF

  • Haas Haus

    Der Blick Richtung Kärntnerstraße

    (c) Schimmer, ORF

  • Haas Haus und Stephansdom

    Der ehemalige Haupteingang ist jetzt nur mehr Zugang zum Café

    (c) Schimmer, ORF

  • Haas Haus

    Die Graben-Seite des heutigen Haas-Hauses

    (c) Schimmer, ORF

  • Haas Haus

    Die prominente Adresse

    (c) Schimmer, ORF

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In der Presse wurde es damals als "opulent verpackte Enttäuschung" bezeichnet. Am Anblick der teilweise spiegelnden Fassade und des turmartigen Erkers stößt sich heute niemand mehr.

Kulturjournal, 07.01.2013

Vor dem Haas-Haus, schräg gegenüber vom Stephansdom, stehen einige Leute und warten. Das Haas-Haus ist den Wienerinnen und Wienern ein Treffpunkt in der stark frequentierten Fußgängerzone. Es ist ein Ort, den man halt kennt, das Haas-Haus.

Urprünglich ein Warenhaus

Benannt ist es nach dem Teppichfabrikanten Philip Haas, der hier 1865 ein Warenhaus bauen ließ. Mit der Regulierung des bis dahin eng verbauten Bereichs zwischen Graben und Stephansplatz, 1864, wurden neue, prominente Bauplätze geschaffen - so auch dieser. Die Errichtung des ersten Haas-Hauses war eine Pionierleistung, war es doch das erste reine Warenhauses in Wien eines Unternehmens, also ohne Wohnungen und ohne Vermietung an andere Firmen.

Im April 1945 setzten Nazitruppen das Haas-Haus - wie andere umliegende Bauwerke - in Brand. Die Ruine wurde abgetragen. Die Architekten Carl Appel, Max Fellerer und Eugen Wörle planten den Nachfolger-Bau, das zweite Haas-Haus, das 1953 eröffnet wurde. Nur dreißig Jahre später hatte dieses Haus - es war 1978 von der Firma Haas veräußert worden - ausgedient.

Abriss und Neubau billiger als Umbau

Hans Hollein wurde Mitte der 1980er von der Eigentümergruppe, der Z-Sparkasse und der Wiener Städtischen, zunächst beauftragt, eine Studie über einen möglichen Umbau durchzuführen. Es stellte sich heraus, dass eine Adaptierung des Inneren für eine zeitgemäße Nutzung wesentlich kostspieliger wäre als ein Abriss und Neubau des Haas-Hauses. Sobald diese Möglichkeit publik wurde, begannen die Proteste. Eine Straßenumfrage von 1985 gibt Einblick in die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger:

"Ich halte es einerseits für nicht schlecht, wenn was Neues und künstlerisch Wertvolleres kommt", meinte ein Passant. "Eine Kulturschande, dass das abgerissen wird", ein anderer Passant. Es wurde sogar die Aufstellung einer 1:1-Attrappe eingefordert, um sich von der befürchteten Verschandelung des historischen Platzes ein Bild machen zu können.

Der Architekt Hans Hollein, 1985 mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet, hatte in seiner Heimatstadt Wien bis dahin nur kleinere Projekte - Geschäftsportale - realisiert. Auf die Entrüstung, die der geplante Neubau verursachte, reagierte er im Ö1 Mittagsjournal von 1986: "Ich bin sicher etwas überrascht, vor allem über den Stil der Diskussion. Ich bin der Meinung, dass wichtige Bauwerke einer breiteren Diskussion bedürfen. Das würde ich für den Stephansplatz durchaus anerkennen."

Ein "Wolkenkratzer-Winzling"

Die postmoderne Fassade aus Stein und Spiegelglas des Haas-Haus-Entwurfs wurde angefeindet, und vor allem auch der turmförmige Erker am Eck. Bürgerinitiativen und Proponentenkomitees forderten die Erhaltung des Nachkriegsbaus. Der damalige Bezirksvorsteher Heinrich Heinz von der ÖVP kritisierte am neuen Entwurf: "Die Elemente dieses Baukörpers erinnern oder sind nachempfunden dem amerikanischen Wolkenkratzerstil. (...) Für mich schaut das aus wie ein Wolkenkratzer-Winzling."

Hans Hollein verteidigte seinen Entwurf, der schließlich - mit Rückendeckung von Bürgermeister Helmut Zilk - zwischen 1987 und 1990 umgesetzt wurde, mit dem Argument, dass er eine städtebauliche Verbesserung bedeutete. Die Baulinie rückte er an die Stelle, wo sie bis 1945 gewesen ist, bevor in den 1950er Jahren - mit der Positionierung des zweiten Haas-Hauses - dem erwarteten Verkehrsaufkommen Rechnung getragen wurde.

Ende der 1970er Jahre, parallel zum Bau der U-Bahn, war der Stephansplatz und der Stock-im-Eisenplatz, zuvor eine mehrspurige Autostraße, zu einer Fußgängerzone gemacht worden. Diese Plätze wollte Hollein wieder klar definieren, wie er 1987 erklärte: "Ich sehe mein Projekt nicht nur als Planungsprojekt eines Gebäudes, sondern als städtebauliche Aufgabe. Die ganze Sache war früher sehr kleinteilig und aus verschiedenen Platzgruppen zusammengesetzt. Nun kann man nicht zurückgehen, aber man kann gewisse Fehler, die anlässlich der Sanierung 1966 gemacht wurden, dass man eine klarere Definition der Räume bekommt."

"Letztendlich hat sich das ins Stadtbild eingefügt", sagt ein Herr, der im Ausland lebt und bei jedem Wien-Besuch ins Haas-Haus essen geht: "Es ist der Platz, das Ambiente, außerordentliche Qualität. Und Preis-Leistung stimmt. Wir kennen schon die Leute, weil wir das schon seit 20 Jahren machen."

Kaufhaus-Ketten statt Luxus-Boutiquen

Das Hollein-Haas-Haus sollte ein hochklassiges Einkaufszentrum mit Boutiquen internationaler Modemacher, mit attraktiven Büros und einem weltstädtischen Gourmet-Bereich sein. Erschlossen wurden die Boutiquen über ein geräumiges Atrium mit Rolltreppen und Stiegenaufgängen.

"Ich darf sagen, wir haben für jedes Lokal im Haas-Haus fünf Anfragen gehabt. Es war schrecklich, die Interventionen zu behandeln", erinnert sich Siegfried Sellitsch, langjähriger Generaldirektor der Wiener Städtischen. Doch die Planung ging nicht auf: die Umsätze, die sich die Mieter in der Top-Lage mit einem Quadratmeterpreis von 3.000 Schilling erhofften, blieben aus. Anstelle der Luxus-Boutiquen siedelten sich kleine, lokale Firmen an, und auch die konnten ihre Mieten nicht einbringen. Die vertikale Shopping-Passage floppte. Einzig das Do&Co, das in den oberen Etagen Gastronomie mit Steffl-Blick bietet, konnte sich behaupten. Bis heute.

"Oh ja, die Adresse ist schon präsent. Aber das Warum. Dann kommt lange nichts", sagt Tina Rubin, die in einem ebenerdigen Juweliergeschäft neben dem Haupteingang im Haas-Haus arbeitet. Das Shopping-Verhalten habe sich seit 1990, als das Haas-Haus eröffnet wurde, stark verändert. Tina Rubin führt das auf die neue, wohlhabende Kundschaft aus dem Osten zurück: "Nicht nur Russen, aber überwiegend. Mit der Öffnung des Ostblocks hat sich alles um 180 Grad verdreht."

Vor allem aber seien die Auswirkungen der globalisierten Konsumkultur schuld daran, dass es in der Innenstadt kaum mehr kleine Geschäfte, sondern vor allem Filialen internationaler Konzerne aller Preisklassen gäbe, sagt die Schmuckverkäuferin. "Das ist der Lauf der Welt, die Großen fressen die Kleinen", meint Rubin.

Innen-Umbau 2002

2002 wurde das Haas-Hause innen komplett umgebaut. Auf vier Etagen ist nun die Filiale einer spanischen Modekette untergebracht. Der Shop sieht aus wie alle dieser Kette. Der Steffl-Blick ist egal. Betreten werden kann das Kleidergeschäft über einen neuen Eingang auf der Graben-Seite, den Hollein für die Schaufensterfront nicht vorgesehen hatte.

Über den einstigen Haupteingang schräg gegenüber vom Stephansdom kommt man heute nicht mehr in ein imposantes Atrium, sondern über ein verhältnismäßig schäbiges Vorzimmer direkt zum Aufzug. Oben wird es eleganter. Auf insgesamt sechs Etagen hat sich die Firma Do & Co ausgebreitet. Sie betreibt hier neben einem Restaurant und einer Bar ein Hotel mit 43 Zimmern.

Der Geschäftsführer Albrecht Clary führt durchs Haus. Sämtliche Umbauten seien von Hollein abgesegnet worden, betont er. Das Haas-Haus hat nicht so funktioniert, wie der Architekt und die Bauherren es vorgesehen hatten. Es gibt nur mehr zwei Großmieter, statt der vorgesehenen zwanzig. Ob die Architektur daran schuld war, die geänderte Technik der Warenpräsentation oder das von den Kunden nicht angenommene Nutzungskonzept, ist schwer zu sagen.

Durch Änderungen an Wiener Bauordnung ermöglicht

Eine Neuerung, die das Haas-Haus einleitete, war die von Architekten-Standesvertretern vehement geforderte Abänderung des Paragraphen 85 der Wiener Bauordnung. Dieser schrieb vor, dass Neubauten im Altstadtbereich nicht nur in Größe und Gliederung, sondern auch in der technologischen Gestaltung und im Material an die Umgebung anzupassen sei. Diese Vorschrift, die bis zum Bau des Haas-Hauses die Planung zeitgenössischer Architektur in historischen Zonen oft erschwert oder verhindert hat, wurde in der Folge - zugunsten der progressiven Gegenwartsarchitektur - reformiert.

Zu Holleins Umgang mit der Schutzzonen-Vorschrift schrieb Horst Christoph 1987 im "Profil": "Als Materialvirtuose interpretierte Hollein den Gummiparagraphen zu Tode. Mit einer an dem Graben anschließenden 'Steintapete', die er stufenweise in Glas verwandelt."

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