Frankreich: Kulturkampf um Homosexuellenehe

Es war ein Wahlversprechen von Präsident Francois Hollande, laut Meinungsumfragen sind rund zwei Drittel der Franzosen dafür und doch wird die geplante Einführung der Homosexuellenehe in Frankreich von Protesten begleitet. Mit Ausmaßen, wie sie vor einem Jahr noch kaum jemand erwartet hätte. Religionsgemeinschaften und konservative Politiker rufen zu einer Großdemonstration auf.

Mittagsjournal, 12.1.2013

ORF-Korrespondent Hans Woller berichtet aus Paris.

Bischöfe: Beten gegen Homosexuellenehe

Familienväter in Anzug und Krawatte stehen nach der Arbeit am Metroausgang des multikulturellen Pariser Stadtviertels Barbes, wo sie auch manchem Salafisten begegnen, und verteilen Handzettel für die Demo gegen die Homosexuellenehe. Sämtliche katholische Kirchengemeinden der Elf-Millionen-Region Paris sind mobilisiert, um zehntausenden Demonstranten aus der Provinz Übernachtungsmöglichkeiten zu bieten.

Schon seit Monaten fordern die Bischöfe des Landes die Gläubigen auf, gegen die Homosexuellenehe zu beten. Frankreichs Katholiken haben sich seit dreißig Jahren nicht mehr so intensiv engagiert. Der Präsident der Föderation der katholischen Familien Frankreichs spricht Klartext: "Dieser Gesetzesvorschlag ist verrückt und man muss ihn wirklich kippen . Wir haben vor dieser Demonstration viel unternommen, an Präsident Hollande geschrieben, Abgeordnete und Minister getroffen. Wir sind dann natürlich schnell dem Aufruf zu dieser Demonstration gefolgt und haben unsere persönlichen und materiellen Mittel für die Organisation zur Verfügung gestellt."

Auch innerhalb der Parteien keine klare Position

Selbst der Vorsitzende des Verbands der vom Staat finanzierten katholischen Privatschulen forderte in einem Brief an die Rektoren dieser Anstalten, die rund 2,5 Millionen Schüler unterrichten, das Thema Homosexuellenehe zu diskutieren, um die Position der katholischen Kirche deutlich zu machen. Im laizistischen Frankreich hagelt es dafür Kritik, doch Eric de Labarre steht dazu: "Es schien uns nötig klarzumachen, dass dieses Gesetzesvorhaben ein Risiko für die Zukunft darstellt, was die Erziehung der Kinder und jungen Menschen in diesem Land betrifft."

Das Thema gleichgeschlechtlichen Ehe sorgt auch für einen Riss quer durch fast allen Parteien. Die konservative Opposition möchte die Demonstration am Sonntag zu einer Anti-Hollande-Kundgebung umwandeln, doch bei weitem nicht alle in der UMP-Partei sind gegen die Homosexuellenehe. Selbst die rechtsextreme Nationale Front hat keine einheitliche Position und auch bei den Sozialisten stehen nicht alle unumwunden hinter dem Gesetzesvorschlag.

Ausmaß der Bewegung überrascht

Präsident Francois Hollande machte vorab klar, er werde diese gesellschaftspolitische Reform auf jeden Fall durchziehen und die Justizministerin unterstrich, die Politik des Landes werde nicht auf der Straße gemacht: "Die Abgeordneten haben ein Mandat ihrer Wähler, sie werden zu ihrer Verantwortung stehen und wenn sie meinen, dass die Demonstration rechtfertigt, dass man den Gesetzestext zurückzieht, werden sie das tun, aber ich glaube nicht daran."

Und doch: Maurice Szafran, Direktor der liberalen Wochenzeitung "Marianne", ist von dem Ausmaß dieser Bewegung des wertkonservativen Frankreichs überrascht: "Die Denker hinter dieser Bewegung, diejenigen, die diese Bewegung im Grunde dirigieren, sind die Pfarrer und die Rabbiner im Land. Das ist ein echtes Phänomen und weit mehr als eine politische Angelegenheit. Diejenigen, die diese Bewegung ausgedehnt und am Leben erhalten haben, sind der Erzbischof von Lyon und der Erzbischof von Paris."

Letzterer hat angekündigt, dass er selbst morgen nicht demonstrieren, aber die Demonstranten grüßen wird.