Italien: Homosexualität, der Papst und die Wahl
Ein Kandidat auf der Liste von Mario Monti hat diese Woche seine Kandidatur zurückgezogen. Der Mann ist homosexuell und das war für eine Zeitung, die Silvio Berlusconi nahesteht, Anlass, eine Kampagne gegen den Unternehmer zu starten. Homosexualität ist ein Thema, mit dem viele Menschen in Italien immer noch Schwierigkeiten haben. Und da spielt auch die katholische Kirche eine Hauptrolle.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 19.1.2013
Femen-Protest gegen den Papst
Auf dem Petersplatz beim Angelusgebet am vergangenen Sonntag. Der Papst hoch oben am Fenster, unten die Gläubigen. Plötzlich ein Eklat: Vier Aktivistinnen der ukrainischen Frauengruppe „Femen“ entblößen ihre Oberkörper. Sie rufen "homophobe shut up!" Auf ihren nackten Rücken steht: "Wir halten zu den Schwulen." Es entsteht ein Tumult, Polizei eilt herbei, eine alte Dame im Pelz drischt mit dem Regenschirm auf die Frauen ein. Der Protest vom "Femen" galt dem Papst und seiner neuerlichen Verurteilung der Homo-Ehe als Gefahr für die Familie.
Höchstrichter regen auf
Weil der Papst das so sieht, hat der Vatikan unlängst auch sehr empört auf ein historisches Urteil des obersten Gerichts reagiert, das letzte Woche ganz Italien in Aufregung versetzt hat. Die Höchstrichter haben entschieden, dass auch homosexuelle Paare Kinder aufziehen dürfen. Die Vorstellung, dass eine homosexuelle Umgebung Kindern schade, sei ein Vorurteil und nicht erwiesen , so die Richter - ein Hammer für das katholische Italien. "Destruktiv und gefährlich", wettert die Vatikan-Zeitung "Osservatore Romano".
Thema im Wahlkampf
Das Thema Homo-Ehe ist auch im Wahlkampf ein heißes Eisen. Noch-Premier Mario Monti weiß das. Er und seine katholisch geprägte Zentrumsbewegung genießen das Wohlwollen des Vatikans. Was er von der Homo-Ehe hält, wird Monti im Fernsehen gefragt, die Schlussmusik läuft bereits: "Ich denke mir", sucht Monti nach Worten, "dass die Familie aus einem Mann und einer Frau besteht, und Kinder mit Vater und Mutter aufwachsen müssen." Das Parlament", räumt er aber ein, "mag andere Formen der Partnerschaft finden. In unserer Bewegung gibt es da viele Meinungen dazu."
Zum Rücktritt gezwungen
Auf Montis Liste für den Senat hat bis vor Kurzem auch ein Homosexueller kandidiert, Mitbesitzer eine Schwulendisco. Alesio de Giorgi sah sich aber nach einer aggressiven Kampagne des Berlusconi-nahen Blattes Libero gegen seine Person gezwungen, aufzugeben.
Libero hatte unter anderem laszive Fotos von ihm veröffentlicht. "Ich habe nichts Ungesetzliches getan", sagt uns De Giorgi am Telefon. "Aber in einem Land wie Italien kann ich nicht mehr als Politiker auftreten. Wir sind da sehr rückständig. Ich würde weniger dem Vatikan die Schuld geben. Der macht seinen Job. Schuld ist eine schwache Politik, die sich vor dem Einfluss des Vatikan auf katholische Mächte und Wähler fürchtet."
Von Monti erwartet sich De Giorgi trotz dessen Nein zur Homo-Ehe eine mutigere Politik: "Er hat immerhin gesagt, dass das Parlament für homosexuelle Paare eine rechtliche Form suchen muss. Es wäre ein erster Schritt."
In Italien gibt es bis heute keine rechtliche Regelung für Partnerschaften außerhalb der Ehe. Selbst die Mitte-Links-Regierungen der letzten zwei Jahrzehnte haben es nicht geschafft, auch nur die simpelste Form einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auf den Weg zu bringen.