Italien: Kirche hält zu Monti
In Italien wird in knapp zwei Monaten gewählt und nun hat Italiens einflussreicher Staat im Staat, der Vatikan, so offen wie schon lange nicht mehr Partei bezogen: Die offizielle Tageszeitung des Kirchenstaats, der Osservatore Romano, empfiehlt den bisherigen Ministerpräsidenten Mario Monti, der voraussichtlich mit einer Zentrumsallianz in den Wahlkampf ziehen wird.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 28.12.2012
Schlussstrich unter Ära Berlusconi
Seit Jahrzehnten war es nicht mehr üblich, dass der Vatikan in einem Wahlkampf so offen und so eindeutig Stellung bezogen hat. Im Leitartikel der heutigen Ausgabe der Vatikan-Zeitung wird Mario Monti Respekt gezollt und zugleich ein klarer Schlussstrich in Richtung Silvio Berlusconi gezogen.
Der Vatikan hatte Berlusconis konservative Regierungen der letzten zwei Jahrzehnte immer unterstützt, weil Berlusconi an den wichtigsten Themen der katholischen Kirche, Abtreibung, Sterbehilfe und Homosexualität, nicht gerüttelt hat.
Die Bischofskonferenz aber, die zweite starke Instanz im katholischen Italien, hat von Berlusconi Abstand genommen, als dessen Lebensstil in ihren Augen an Liederlichkeit zugenommen hat.
Monti-Allianz wird neue moderate katholische Mitte
Jetzt sind sich Vatikan und Bischofskonferenz wieder einig. Mario Monti ist ihr Kandidat. Monti ist selber religiös, war Jesuitenschüler und in seiner Regierung der Professoren hat er sowohl progressive Katholiken als auch dem konservativen Opus Dei nahestehende Leute um sich geschart.
Auch die Allianz, die Mario Monti nun zu ihrem Kandidaten erkoren hat, besteht aus Kleinparteien und Bewegungen wirtschaftlicher und vor allem katholischer Prägung. Mit ihr entsteht in Italien zwischen den Sozialdemokraten auf der Linken und Berlusconis PDL auf der Rechten wieder eine moderate katholische Mitte. Wie einst die Democrazia Christiana, die mit dem Segen der Kirche Italien fast fünfzig Jahre lang regiert hat.
Presse und Politologen sind kritisch
Die Kommentatoren der großen italienischen Tageszeitungen bezweifeln allerdings in ihren heutigen Ausgaben, dass sich das alte Bündnis wiederbeleben lässt. "Der Papst wählt Monti, aber was wählen die Katholiken?", heißt es in einem Leitartikel.
"Ich glaube die Zeiten einer so offiziellen und linearen Allianz wie zu Zeiten der Democrazia Christiana sind vorbei," sagt auch der Politologe Carlo Galli. "Natürlich werden bedeutende Segmente der katholischen Welt Monti und sein Bündnis unterstützen, aber die Katholiken werden genauso auch andere Parteien und Bündnisses wählen."
Monti erspart Kirche Besitzsteuer
Die Katholische Kirche hat in ihrer Entscheidung für Monti nicht nur ein ideelles, sondern auch ein ökonomisches Interesse. Sie genießt große Privilegien, unter anderem Steuerfreiheit für ihre Einrichtungen.
Die EU verlangt nun aber Gleichheit für alle. Mario Monti hat der Kirche sehr gemäßigte Auflagen gemacht und ihr die Besitzsteuer weiter erspart. Nur dort, wo Klöster etwa im Tourismus als Hotels oder Herbergen Geld verdienen, darf der Staat nun kassieren.