Tschechien: Turbulente Präsidenten-Stichwahl

Die Tschechen wählen heute und morgen in einer Stichwahl ihren neuen Präsidenten, und der Wahlkampf zwischen dem amtierenden Außenminister Karel Schwarzenberg und Ex-Premier Milos Zeman war in den beiden Wochen seit der ersten Runde ziemlich turbulent. Zeman hat zuletzt ein hoch emotionales Thema angesprochen, das auch in der gestrigen letzten Fernsehdebatte nicht ausgespart blieb.

Morgenjournal, 25.1.2013

Aufregung über Benes-Sager

Es war gut gelaufen für den "Fürsten" Schwarzenberg- im ersten Durchgang überraschend zweiter, fast Kopf an Kopf mit dem Favoriten, als ältester Kandidat dieser Wahl ein Liebling der Jungen, der glaubhaft vermittelt hat, dass er es nicht nötig hat, sich aus öffentlichen Töpfen zu bedienen – Geld hat er schließlich selbst genug. Doch dann kam von Karel Schwarzenberg, der 1948 selbst aus Tschechien emigriert ist, der Sager, der dem Wahlkampf einen völlig neuen Drall gab. Er kritisierte, nicht zum ersten Mal, die Benes-Dekrete, mit denen nach dem Zweiten Weltkrieg die Deutschen aus Tschechien vertrieben worden sind: "Benes und seine Regierung würden heute vor dem Haager Tribunal stehen", sagte Schwarzenberg. Seit damals muss er sich selbst interpretieren: Nein, er habe niemanden bedroht. Und die ganze Enteignungsfrage neu aufzurollen, sei Unsinn. Aber Tschechien müsse sich seiner Geschichte stellen.

Anspielungen auf Schwarzenbergs Herkunft

An Häme fehlt es dennoch nicht. Der scheidende Präsident Klaus, der angeblich sogar emigrieren will, wenn Schwarzenberg gewählt wird, lässt wissen: Er würde sich als Präsidenten jemanden wünschen, der immer hier gelebt hat. Selbst Schwarzenbergs Akzent und die Tatsache, dass seine Frau Therese die Landessprache nicht spricht, wurden zum Gegenstand öffentlicher Erörterung. Ob sich Milos Zeman das wirklich wünschen konnte? Er habe nichts begonnen, sagt er und betont, dass Kritik an Schwarzenberg auch aus der Slowakei gekommen sei, am Außenminister Tschechiens nämlich – und zwar auch von einem Vertreter der Rechten.

Signal gegen Sparpolitik

Eigentlich, so meinen beide Herren, würden sie lieber über aktuelle Themen sprechen. Und Milos Zeman macht dann gleich seine erste Ansage: Er würde als erstes einen neuen Zentralbankchef bestellen. Das ist eine der wenigen bedeutenden Befugnisse des tschechischen Präsidenten, und für Zeman ein Signal gegen die verhasste Sparpolitik der konservativen Regierung. Als Kampf zwischen links und rechts sieht Zeman diese Wahlentscheidung. Als Entscheidung zwischen alter Politkaste und neuer Politkultur will sie Schwarzenberg darstellen. Prognosen sind schwierig. Beobachter glauben, dass eine hohe Beteiligung von jungen und urbanen Wählern Schwarzenberg hilft, eine hohe Wahlbeteiligung in den ländlichen Gebieten hingegen Zeman.