Dokumentation "Indian Dreams"
Immer wieder sorgten in den vergangenen Wochen neue Meldungen von Vergewaltigungen junger Frauen in Indien für Schlagzeilen. Doch der international viel diskutierte Fall einer Massenvergewaltigung in einem Bus ist längst kein Einzelfall.
8. April 2017, 21:58
Etwa 24.000 Vergewaltigungen wurden allein im Jahr 2011 in Indien gemeldet. Die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt. Die Situation der Frauen in Indien ist auch eines der zentralen Themen im Film "Indian Dreams". Die beiden Filmemacher Walter Größbauer und Claudia Pöchlauer begleiten darin einen jungen Inder auf einer Reise quer durch das Land: vom Norden in den Süden, ans Meer. Fernab aller touristischen Hotspots dokumentiert der Film Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, und zeigt soziale Realitäten, wie sie sonst nur selten zu sehen sind.
Kulturjournal, 24.01.2013
Wünsche und Träume würden schmerzen erzeugen, deshalb habe sie aufgehört zu wünschen und träumen, erzählt eine junge Frau im Film. Verheiratet, gegen ihren Willen. Der Mann komme in Indien eben immer zuerst. Die Frau habe zu akzeptieren, was er entscheidet.
In den letzten Wochen schien es fast so, als wäre die indische Gesellschaft - aufgerüttelt durch die brutale Vergewaltigung einer jungen Frau - aus einem Dornröschenschlaf erwacht. Doch was im Westen zwischen Berichten über das Boomland Indien und der Slumproblematik erst jetzt Einzug in die mediale Berichterstattung gefunden hat, sei in Indien selbst schon lange ein präsentes Thema gewesen, so Claudia Pöchlauer.
Umdenken gefordert
Von Schnellgerichten ist jetzt die Rede, an den Tätern werden unter großer medialer Aufmerksamkeit Exempel statuiert. Die Meldungen über immer neue Vergewaltigungsfälle gehen indes weiter. Es brauche hier ein generelles Umdenken, so Walter Größbauer, und hier spiele nicht zuletzt die Mitgift, die eine Familie bei der Heirat einer Tochter zu zahlen habe, eine wichtige Rolle.
"Besser 500 Rupien jetzt, als später 500.000" - Werbung für eine vorgeburtliche Geschlechterbestimmung. Für viele Familien bedeutet eine Mitgift den finanziellen Ruin; die Folge: immer mehr weibliche Föten werden abgetrieben. Dabei gebe es hier sehr wohl regionale Unterschiede, so Walter Größbauer, die Folgen seien aber gravierend.
Eine Frau im Zug fordert ein Umdenken, beklagt, dass sich indische Frauen allzu oft nur nach außen hin modern geben würden. Und ein Rikscha-Fahrer erzählt, dass er 30 Kilometer gepilgert sei, damit sein drittes Kind ein Junge werde.
Unterwegs mit Bhupinder Chauhan
Seit 2009 erkundet Walter Größbauer das Land mit der Kamera. Bereits 2010 realisierte er mit "Next Exit Nirvana" eine Dokumentation über eines der größten Pilgerfeste des Landes, wo er auch den Protagonisten von "Indian Dreams", Bhupinder Chauhan, kennen lernte. Er führt durch den Film und durch das Land.
Gereist wird mit dem Zug, ein Ort, wo alle Menschen zusammenkommen, so Bhupinder Chauhan, ein Mikrokosmos der indischen Gesellschaft. Und ausgehend vom Zugabteil filmen Pöchlauer und Größbauer dann die unterschiedlichsten Begegnungen, Geschichten und Gespräche. Da trifft man auf einen Tierschützer auf verlassenem Posten, einen Rikscha-Fahrer, der Einkommen und Ausgaben vorrechnet, einen arbeitslosen Mann, der sein Glück in Bollywood versuchen will, einen Bestatter. Doch bei aller Armut und Trostlosigkeit sei bei all diesen Begegnungen immer auch das Gefühl einer Hoffnung auf ein anderes, ein besseres Leben geblieben, so Claudia Pöchlauer.
Am Ende dieser faszinierenden Reise kommt Bhupinder Chauhan am Meer an - seinem eigentlichen Ziel. Doch nach all den Begegnungen, die der Film "Indian Dreams" dokumentiert, wirkt dieses fast wie ein utopischer Ort. Der Blick hinaus, weg von der Realität.
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Fortuna - Indian Dreams