Bibelkommentar zu Lukas 1, 1 - 4; 4, 14 - 21
Wie macht man das so als Evangelist? Ein Evangelium schreiben? Schüttelt man das so aus dem Ärmel? Setzt man sich hin, wie das manche Barockmaler darstellen, wartet bis ein Engel kommt, die Hand ergreift, und sozusagen als himmlischer Fernschreiber fungiert?
8. April 2017, 21:58
Ich finde spannend, was Lukas da am Beginn seines Evangeliums tut. Lukas lässt seine Leserschaft sozusagen einen Blick über seine Schulter tun. Und dieser Blick verrät: Lukas hat bei dem, was er tut, einen hohen Anspruch. Er borgt sich bei den Historikern seiner Zeit ein Einleitungsformular aus und macht daraus den kunstvoll gestalteten Einstieg in sein Evangelium. Was ich tue ist seriös und genügt (in der Methodik seiner Zeit) hohem historischen Anspruch, sagt Lukas damit.
Wie schaut das im Detail aus? Worüber schreibt Lukas? Über ganz praktische Dinge (könnte man salopp übersetzen), über πράγματα, wie das griechische Wort heißt, Ereignisse. Und die sind vergangen, sie haben sich ereignet, erfüllt, sind schon einige Zeit her (vermutlich etwa eine Generation). Über diese Ereignisse, fährt Lukas fort, gibt es schon manche Berichte, Berichte die selbst auch wieder Quellen haben.
Lukas unterscheidet zwei davon: Augenzeugen (wörtlich: selbstsehende vom Ursprung her), und Diener des Wortes. Eigentlich klar: Wenn es Ereignisse sind, von denen Lukas erzählt, dann muss es Leute gegeben haben, die sie gesehen haben, eben Augenzeugen, und die sie dann weitererzählt haben. Dazu kommt eine zweite Gruppe von Menschen, solche, die das ihnen Erzählte wiederum weitererzählen. Die Apostel sind (wenn man die beiden hier verwendeten Begriffe im Lukasevangelium weiterverfolgt) Menschen, auf die beides zutrifft: Augenzeugen und Weitererzähler.
Und dann gibt es da noch Lukas. Als anständiger Historiker vertraut er nicht nur dem, was es eh schon gibt, er geht den Dingen nochmals auf den Grund, akribisch (heißt es da auf Griechisch) und bringt Ordnung in das Ganze: er schreibt alles der Reihe nach auf. Mehr noch: Er schreibt es für jemanden auf, den sehr höflich angeredeten Herrn Theophilus. Denn der soll sich so von der Zuverlässigkeit der christlichen Lehre überzeugen.
Halten wir fest: Der Blick über die Schulter des Lukas erzählt von Ereignissen (dem Leben Jesu, der Entstehung der Kirche), von Überlieferungsvorgängen (Augenzeugen, Diener des Wortes) und von einem Historiker, der den Dingen nochmals auf den Grund geht (Lukas).
Was heißt das für mich, Hörer oder Leser des Lukasevangeliums (und Lukas begleitet in den sonntäglichen Evangelientexten heuer das Jahr in der katholischen Kirche)? Zunächst, dass Lukas mit diesem Buch (eigentlich mit diesen Büchern, wenn man die von ihm stammende Apostelgeschichte dazurechnet) anständige Arbeit gemacht hat. Dann aber noch mehr. Die Anrede an Theophilus verrät: Lukas will Sicherheit im Glauben geben. Und wie geschieht das, außer durch die gute Recherche des Lukas?
Ich frage mich, ob die von Lukas beschriebenen Augenzeugen und Diener des Wortes nicht einen Hinweis geben könnten. Wird, wer die so plastische Schilderung des Lukas liest, nicht selbst zum Augenzeugen? Und so, in weiterer Folge, überzeugt von Jesu Worten und Taten, auch zum Diener des Wortes, zu einem, der weitererzählt, was er gesehen, erlebt hat auf seinem Weg mit Jesus? Wer aber mit Lukas Jesus begleitet, Augenzeuge ist, überzeugter Weitererzähler, eben Diener des Wortes, der wird damit selbst Evangelist, Träger einer sicheren frohen Botschaft. Und damit würde sich das von Lukas gehörte Wort erfüllen.