Mali-Einsatz: Kritik trotz Erfolgs

Auf den ersten Blick verläuft der Militäreinsatz Frankreichs so glatt, wie es kaum jemand zu hoffen wagte. Doch es bleiben eine Reihe von Fragen. Vor allem die Presse beschwert sich täglich lauter, vor Ort vom Geschehen fern gehalten zu werden. Auch Meldungen über Vergeltungsakte nehmen zu. Und Paris muss sich gegen den Verdacht wehren, aus wirtschaftlichen Interessen zu intervenieren.

Mittagsjournal, 30.1.2013

Erfolge gepaart mit Kritik

19 Tage nach Beginn des französischen Militäreinsatzes in Mali wartete das Verteidigungsministerium in Paris heute morgen mit der nächsten Erfolgsmeldung auf: nach den zwei wichtigsten Städten im Norden Malis, Goa und Timbuktu, sind französische Truppen aktuell dabei, auch die letzte Hochburg der Radikalislamisten im extremen Nordosten Malis, die Stadt Kidal, einzunehmen. Auf den ersten Blick verläuft dieser Militäreinsatz, an dem inzwischen 3.700 französische Soldaten beteiligt sind, so glatt, wie es kaum jemand zu hoffen wagte – von daher herrscht in Frankreich auch nach wie vor breite Zustimmung zur Entscheidung von Präsident Hollande, die französische Armee in das afrikanische Land zu schicken.

Und doch bleiben eine Reihe von Fragen. Vor allem die Presse beschwert sich täglich lauter, vor Ort vom Geschehen fern gehalten zu werden und auch die Meldungen über Vergeltungsakte seitens der malischen Armee oder der schwarzen Bevölkerung gegenüber den arabischstämmigen Bewohnern und den Tuaregs im Norden Malis geben mehr und mehr zu denken. Ganz zu schweigen davon, dass Paris sich immer gegen den Verdacht wehren muss , auch oder sogar vor allem aus wirtschaftlichen Interessen zu intervenieren.

Überprüfung nicht gestattet

„Wir sind dabei eine Schlacht zu gewinnen“ hat Frankreichs Staatspräsident am Wochenende ausgesprochen optimistisch erklärt mit Blick auf die Situation in Mali. Doch wie diese Schlacht gerade gewonnen wird, weiß in Frankreich – mit Ausnahme der Militärs- im Grunde niemand. Denn vor Ort sorgen die französische Armee und malische Autoritäten seit Beginn der Intervention für einen völligen Black-Out. Wie viele zivile Opfer haben die französischen Luftschläge gefordert? Die Frage bleibt seit zwei Wochen ohne Antwort.

Offiziell hat die französische Armee bisher nur einen Toten zu beklagen – auch da darf man skeptisch sein. Wohin sind die radikalislamistischen Rebellen verschwunden, wie stark war ihr Widerstand, wie viele von ihnen sind bei den Kampfhandlungen zu Tode gekommen? Niemand kennt die Antworten. Einige Hundert, hat Frankreichs Verteidigungsminister eher beiläufig fallen lassen, der gestern Abend erklärte: Unsere Streitkräfte haben es geschafft, dank ihres Professionalismus, ihrer Kaltblütigkeit und ihrer guten Vorbereitung diese Operationen in Gao und in Timbuktu erfolgreich zu vollenden, Timbuktu diese spirituelle Hauptstadt des Islam, die heute ihre Freiheit wiedererlangt. Frankreich hat gut daran getan zu handeln, der Präsident der Republik hat die richtigen Vorgaben gemacht.

Vor Ort jedenfalls kann kein Journalist überprüfen, ob wirklich alles so glatt gelaufen ist – wenn überhaupt, wird die Presse vier oder fünf Tage nach den Kampfhandlungen in die zurückeroberten Städte gelassen, ansonsten 500 bis 600 Kilometer von den Einsatzorten entfernt gehalten. Der Grandseigneur der französischen Kriegsreporter, Jean Paul Mari vom Nouvel Observateur klagt in einem wütenden offenen Brief über diese Behandlung und fordert, man möge Journalisten gefälligst unmittelbar nach den Kampfhandlungen ihre Arbeit machen lassen.

Ökonomische Interessen

Frankreichs Regierung steht, was die kommenden Wochen angeht, vor einem Dilemma. Bleiben französischen Truppen zu lange in vorderster Front, droht die Anklage des Neokolonialismus, begibt man sich hinter die malischen und afrikanischen Truppen, läuft Paris Gefahr, gewaltsame Übergriffe und Racheakte dieser Truppen an der arabischstämmigen Zivilbevölkerung zuzulassen.

Immer wieder muss sich die Regierung auch die Frage gefallen lassen, welche wirtschaftlich- strategischen Interessen bei dem Einsatz eine Rolle spielen. Der Afrikaspezialist, Philippe Hugon: Man kann eine militärische Intervention nicht von strategisch-ökonomischen Interessen trennen, besonders was Energiequellen angeht. Man kann die militärische Intervention nicht allein durch diesen Faktor erklären. Das ist nicht der entscheidende Faktor, aber er ist natürlich präsent.

Frankreichs Verteidigungsminister wich dieser Frage gestern Abend bewusst aus, indem er antwortete: Unsere Interessen sind Sicherheitsinteressen. Die radikalislamistischen Terroristen, die in Mali aktiv waren, hatten das Ziel, den malischen Staat zu zerschlagen und einen heiligen Ort des Terrorismus zu schaffen, von wo aus sie Frankreich und Europa angreifen wollten – es sind unsere eigen Sicherheitsinteressen, um die es dort geht.