Das Internet der Dinge

Makers

Das Internet hat unsere Welt völlig verändert. Nie zuvor war der Zugang zu Information so einfach und so schnell. Nie zuvor war Kommunikation so unkompliziert. Und nie zuvor war es leichter zu publizieren. Doch das war noch längst nicht alles.

Die nächste Revolution steht unmittelbar bevor, glaubt man dem Amerikaner Chris Anderson, langjähriger Chefredakteur der renommierten Computerzeitschrift "Wired", Vordenker und Bestsellerautor. In seinem neuen Buch "Makers" gibt er einen profunden Einblick und wagt einen überaus optimistischen Ausblick in die Zukunft des so genannten "Internets der Dinge". Mit Hilfe von 3D-Druckern und ähnlichen Geräten werden wir schon bald selbst zu Produkt-Designern und –Herstellern und damit, so der Autor, die Macht der Markenunternehmen brechen.

Desktop-Maschinen

Desktop heißt das Zauberwort, das alles verändert: Desktop-3D-Druck, computergesteuertes Desktop-Fräsen, -Walzen oder –Sticken. Was Jahrhunderte lang Fachwerkstätten und Industrieanlagen übernahmen, wandert immer näher zum Erfinder, zum Designer, zum Bastler – und das kann jeder sein, der mit der entsprechenden Software umgehen kann.

20 Jahre nachdem Desktop-Publishing, also das Publizieren vom Schreibtisch aus, im Mainstream ankam, wird nun der Begriff Desktop Industriemaschinen vorangestellt. Für Chris Anderson ist das nicht weniger als der Beginn einer neuen industriellen Revolution.

Weg frei für Klein-Unternehmen

Doch sind wir schon so weit? Wie würde denn diese Zukunft aussehen? Alltagsgegenstände wie Geschirr, Sonnenbrillen oder Kleinmöbel werden nicht mehr gekauft, sondern im 3D-Drucker selbst hergestellt. Und wer besonders begabt ist, produziert gleich in größerer Stückzahl, um die innovativen Artefakte im selbstgebastelten Webshop global feilzubieten.

Tausende Klein-Unternehmen hat diese "Maker"-Bewegung schon hervorgebracht, die den Geist des "Do it yourself" industrialisieren möchte. Doch noch kosten 3D-Drucker mehrere Tausend Euro und der einzige leistbare Rohstoff für die Massenproduktion im Wohnzimmer ist billiger Kunststoff.

Zusätzliche Hürden für die digitale Fabrikation im Heimbetrieb kommen zunehmend aus dem Copyright-Bereich. Mit Piraterievorwürfen und möglichen strengeren Gesetzen versuchen Industrielobbys, was etwa der Musikindustrie nicht gelang: die Verhinderung der Demokratisierung der Produktion.

Geschichte der Zukunft

Chris Anderson gibt trotz allem Enthusiasmus zu, dass die Revolution noch in den Kinderschuhen stecke, unterstreicht aber seine These, dass sie nicht mehr aufzuhalten sei und schneller voranschreiten wird, als viele vermuten.

Spätestens ab Kapitel 3 mit dem Titel "Die Geschichte der Zukunft" kann man sich Andersons hemmungsloser Euphorie kaum mehr entziehen. Was Ende des 18. Jahrhunderts in Manchester mit einem Spinnrad begann und sich zur Heimindustrie entwickelte, passiere jetzt erneut. Das Internet, so Anderson, habe schon jetzt die Produktionsmittel in vielen Bereichen demokratisiert. Diese Entwicklung führte dazu, dass ganze Imperien in Garagen oder Studenten-WGs gegründet oder Hitalben in Schlafzimmern aufgenommen werden konnten.

Das Ende der herrschenden Industrie

Ähnlich wie die Heimindustrie vor über 300 Jahren die Macht der Handwerkergilden brach, so könnte die Maker-Bewegung heute das Ende für das vorherrschende Industriemodell bedeuten. Den Bedarf an "neuen" individuell in digitaler Heimarbeit hergestellten Gegenständen erläutert er anhand eines privaten Beispiels:

Seine beiden Töchter sind es von Computerspielen wie "Sims" gewohnt, ihre virtuellen Puppenhäuser in unzähligen Farben, Formen und Stilen laufend umzugestalten. Ihrem realen Puppenhaus sind da wesentlich engere Grenzen gesetzt. Warum also nicht den Papa fragen, ob er in seiner Werkstatt sein neues Spielzeug "Thing-O-Matic" in Betrieb nimmt. Dieser lässt sich nicht lang bitten, wählt das Online-Archiv für 3D-Entwürfe "Thingiverse" an und stöbert mit den beiden die Seiten durch.

Desktop-Selfmade-Industrie nicht aufzuhalten

Auch wenn ähnliche Fabrikatoren eher erst übermorgen als morgen in unseren Wohnzimmern stehen werden, sollten sich etwa Spielzeughersteller durchaus so ihre Gedanken machen. Chris Anderson erinnert an dieser Stelle an die Firma Kodak, die kürzlich erst Insolvenz anmelden musste. Die Technologie von realem Fotofilm, den man kaufen und entwickeln musste, wurde Jahrzehnte lang nie hinterfragt. Heute sind digitale Fotos kostenlos und können bei Bedarf auf dem eigenen Tintenstrahldrucker ausgedruckt werden.

Die zielgerichtete Begeisterung des Autors ist nicht grundlos. Als Geschäftsführer von "3DRobotics" und Gründer von "DIY Drones" wird Anderson nicht gänzlich uninteressiert am Erfolg auch seiner Entwicklungen sein. Als umfassenden und detailreichen Einblick in das "Internet der Dinge" kann man sein Buch "Makers" dennoch empfehlen. Anderson beschreibt die neueste Generation der Desktop-Fabriken, die Funktionsweise der "Open Hardware" und geht schließlich auch sehr ausführlich auf Organisation und Finanzierung einer modernen Internetfirma, sowie die Einbindung von externen Produktentwicklern ein.

Die Frage, ob die Desktop-Selfmade-Industrie noch aufzuhalten sei, wird man nach der Lektüre mit einem klaren "nein" beantworten. Die Frage, wie lange es noch dauern wird, bis wir uns wie mit dem berühmten Replikator aus "Star Trek" fast alles per Mausklick in den eigenen vier Wänden herstellen können, steht in den Sternen. Der Weg in Richtung Biologie und Genetik ist allerdings längst vorgezeichnet.

Service

Chris Anderson, "Makers. Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution", aus dem Amerikanischen von Sigrid Schmid, Hanser Verlag

Hanser - Makers

Übersicht