Staatsbürgerschaft: Kritik am neuen Modell

Kritik am gestern präsentierten neuen Staatsbürgerschaftsrecht kommt von Migrationsforscher Gerd Valchars. Der Wissenschaftler von der Universität Wien hält den Ansatz, dass sehr gut integrierte Menschen schon nach sechs Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten sollen, für problematisch und die vorgesehenen Hürden für zu hoch.

Morgenjournal, 6.2.2013

Eva Haslinger im Gespräch mit Gerd Valchars

"Kein pädagogisches Instrument"

Gutes Deutsch, gemeinnütziges Engagement, ein entsprechendes Einkommen - das sind einige der Kriterien, die künftig darüber entscheiden sollen, wie rasch jemand die österreichische Staatsbürgerschaft erhält. Migrationsforscher Gerd Valchars, der auch in der Grünen Bildungswerkstatt aktiv ist, hat mit diesem neuen Modell keine rechte Freude.

Denn prinzipiell sollte die Staatsbürgerschaft kein pädagogisches Instrument sein, wie der Wissenschaftler betont. "Sie ist ein demokratisches Recht", so Valchars. Es sei daher "höchst problematisch", ein Recht, das nach Ansicht Valchars eigentlich jeder in Österreich lebender Person zustehen sollte, von bestimmten Leistungen abhängig zu machen.

Kritik an "Mehrleistung" für Migranten

Um den österreichischen Pass schon nach sechs Jahren zu bekommen, muss man nach der neuen Regelung Deutschkenntnisse auf Matura-Niveau vorweisen. Wer die deutsche Sprache nur auf Mittelschulniveau beherrscht, muss zusätzlich drei Jahre lang eine ehrenamtliche Tätigkeit, beziehungsweise einen Beruf im Sozial- oder Gesundheitsbereich ausgeübt haben.

Valchars kritisiert, dass sich Migranten besonders hervortun müssten, während all jene, die die Staatsbürgerschaft per Geburt erlangen, diese "Mehrleistung" nicht erbringen müssten.

Einkommensgrenze "zu hoch"

Zusätzlich sieht die Regelung vor, dass die Antragssteller ein Einkommen von rund 1.000 Euro pro Person und Monat vorweisen müssen - und das über sechs Jahre hinweg. Der Migrationsforscher hält das für eine zu hohe Hürde, denn: "Diese Einkommensgrenze ist im internationalen Vergleich gesehen sehr hoch. Selbst 30 bis 40 Prozent der Arbeitnehmer und 60 bis 70 der Arbeitnehmerinnen in Österreich erreichen dieses Niveau nicht."

Die Reform sollte laut Valchars in eine gänzlich andere Richtung gehen. Er wünsche sich etwa, dass Erwachsene, die die österreichische Staatsbürgerschaft übernehmen, auch ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft behalten dürfen.

Der Verlust der ursprünglichen Staatsangehörigkeit bringe nämlich häufig Probleme mit sich: "Damit verliert man im Heimatland zahlreiche Rechte, wie etwa das Erbrecht, das Einreiserecht oder das Recht, Grund und Boden zu besitzen."

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