Tunesien: Chaos droht

Tunesien droht wieder im Chaos zu versinken. Nach dem brutalen Mord an einem Oppositionspolitiker gab es überall im Land Massenproteste, der Ministerpräsident hat die Regierung aufgelöst und Neuwahlen angekündigt. Eine Übergangsregierung aus Experten soll die von Islamisten dominierte Koalition ersetzen. Die Frage ist, ob die Regierung die Situation wieder unter Kontrolle bringen kann oder ob sie eskaliert.

Mittagsjournal, 7.2.2013

Situation angespannt

Seit Diktator Ben Ali hat es in Tunesien keine derartigen Demonstrationen mehr gegeben. Steine gegen Tränengas – die Polizei geht hart gegen die Demonstranten vor, die gegen die Regierung protestieren.

Für morgen ist das Begräbnis des ermordeten Oppositionspolitikers Chokri Belaid geplant. Da könnte es wieder zu Ausschreitungen kommen, sagt Hardy Ostry, der das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis leitet: "Die Bilder, die wir gestern gesehen haben, haben viele von uns an den Jänner 2011 erinnert. Wir wissen nicht, ob es weiter zu Unruhen kommen wird. Die Gewerkschaft und die Oppositionsbewegung führen im Moment Gespräche, ob es morgen wirklich zu einem Generalstreik kommt." Die Situation sei auf jeden Fall angespannt.

Uneinigkeit in der Ennahda-Partei

Innerhalb der von Islamisten dominierten Regierung ist man uneinig. Premierminister Hamadi Jebali hat Neuwahlen angekündigt, die Regierung aufgelöst. Die islamistische Ennahda-Partei ist aber gegen Neuwahlen, denn sie hat jetzt die Mehrheit im Parlament und sich von Anfang an gegen eine Expertenregierung ausgesprochen.

Hardy Ostry glaubt an Uneinigkeiten innerhalb der Regierungspartei: "Jebali hat gestern noch einmal gesagt, dass er diese Entscheidung ohne Konsultation mit allen Parteien getroffen hat, weil er das Land in dieser politischen Krise einen und eine Einigung mit dem größtmöglichen Konsens aller politischen Parteien herbeiführen will. Zum einen hat er damit einen Befreiungsschlag versucht, zum anderen ist es aber offensichtlich, dass er versucht, sich von seiner eigenen Partei, der Ennahda, zu distanzieren. Der Präsident der Ennahda-Bewegung hat zwar eine Verwicklung in das Attentat zurückgewiesen, gestern aber das Land verlassen."

Land droht im Chaos zu versinken

Der Experte ist pessimistisch und glaubt, dass es neuerlich zu Ausschreitungen kommen könnte. Es bleibe zu befürchten, dass es zu Chaos kommt, wenn die politisch Verantwortlichen, Regierung wie Opposition, es nicht schaffen, sich an einen Tisch zu setzen. Wenn Eitelkeit und Machtbedürfnisse vorherrschen, werde es zu keiner Einigkeit kommen. Dann drohe das Land, im Chaos zu versinken, so Ostry.