Erfolg in Serie
Die Café-Sonntag-Glosse von Franz Schuh
Es hilft, aber man muss kein Marxist sein, um anzunehmen, dass in unserer Gesellschaft alles, aber auch alles zur Ware geworden ist.
8. April 2017, 21:58
Wie die liberalen Beschützer der Prostitution zum Beispiel, darunter so genannte "Sozialarbeiter", die Käuflichkeit von Menschenkörpern als Zeichen der Freiheit hinnehmen, ja, verkaufen, und wie sogar ein Kardinal in einer Zeitung predigt, die ein paar Seiten nach seiner Predigt Inserate aus dem Rotlichtmilieu druckt, das beweist doch, wie selbstverständlich und allumfassend der Warencharakter geworden ist.
Ja, ja früher da hatte man wenigstens eine Doppelmoral: Abends im Bordell und vormittags in der Kirche - heute bewegt sich alles gleich im Bordell, das vielfältige Gesichter hat und eben nicht nur das der käuflichen Liebe. Gleichzeitig wird, was einst noch ein schmieriges Geheimnis war, banalisiert.
Diese Gesellschaft ist abgebrüht, fast alles scheint ihr gleich, sie ist ja nicht zuletzt charakterisiert durch den Massenartikel, durch eine Produktion, die ihre Gegenstände in Serie erzeugt: Jedes Exemplar ist gleich wie das andere. Das hat Vorteile, denn die Gesellschaft umfasst Massen von Menschen, deren Ansprüche gleichermaßen zu berücksichtigen sind. Die Serie berücksichtigt nicht Einzelne, sondern alle, und es ist ein Luxusproblem, gegen den Massengeschmack einen eigenen an den Tag legen zu wollen. Mehr als ein Snob kann man nicht werden, wenn man im Lebenslauf auf die Massenartikel verzichtet und gediegenes Handwerk vorzieht.
Auch die Künste haben sich in eine Antithese von hier Unterhaltungskunst und dort hochgebildete, gediegene Kunst verrannt. Die Unterhaltungskunst wird in Serie erzeugt, die hohe Kunst hingegen in gediegenem Handwerk. Das hohe Handwerk arbeitet mit Überraschungen, in der Serie kommt es auf "Wieder-Erkennbarkeit" an. Das Fernsehen produziert seine Ware durch Standardisierungen: An immer neuen Angeboten muss immer das Gleiche erkennbar sein - also immer der Kommissar, der die Unschuldigen von den Schuldigen trennt, und wenn so Schema einmal übertreten wird, bestätigt die Ausnahme bloß die Regel.
Aber Ausnahmen gibt es, und es gibt sie, weil manche Menschen die Vorrausetzungen, in die sie eingebunden sind, auch von außen sehen können. Die berühmten amerikanischen Ausnahme-Serien, "Mad Man" zum Beispiel, aber ich will eine andere loben, "Californication", weil diese Serie mit der ganzen Heillosigkeit, dass alles Ware ist, spielt, ohne dass sie ein Darüberhinaus postuliert - nein, das Sittenbild von "Californication" bietet sich selbst als schrille Ware an - und beim Zusehen kann man sehen, was das aus Menschen macht: "Californication" in Doppelfolgen jeweils am Montag ab ca. 23:35 Uhr auf ORF eins.