Israel: Spekulationen um Agenten-Selbstmord
Die Affäre um "Mr. X" bewegt Israel. Das israelische Justizministerium gab nun zu, dass ein Häftling anonym in einem Hochsicherheitsgefängnis festgehalten wurde und vor rund zwei Jahren Selbstmord beging. Es handelt sich offenbar um einen Australier, der für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad gearbeitet hatte. Bisher hatte die Militärzensur über israelische Medien eine Informationssperre verhängt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 14.2.2013
Aus Israel berichtet ORF-Korrespondent
Mr. X war Australier
Es geht um Spionage und um Zensur, es liegt also in der Natur der Sache, dass diese Geschichte undurchsichtig ist. Schon seit Längerem gab es Gerüchte, wonach in einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis völlig verdeckt ein Häftling festgehalten wurde, genannt Mr. X, weil alles derart geheim war, dass selbst die Gefängniswärter seinen Namen nicht wissen durften.
Vor drei Tagen machte nun plötzlich eine dramatisch aufgezogene australische Fernsehdokumentation Mr. X in Israel zum Topthema. Inzwischen hat Mr. X einen Namen, genauer viele Namen: Er hieß Ben Zygier und nannte sich unter anderem auch Ben Allen und Ben Alon. Im Dezember 2010 erhängte er sich anscheinend in seiner Zelle, er war damals 34 Jahre alt. Zehn Tage danach wurde er in Melbourne in Australien begraben.
Spionage im Iran, dem Libanon und Syrien
Zygier war in den 1990er-Jahren aus Australien nach Israel eingewandert. Seit dem Jahr 2000 arbeitete er anscheinend für den israelischen Geheimdienst Mossad. Er soll seinen australischen Pass benützt haben, um im Iran, in Syrien und im Libanon zu spionieren. Dann muss etwas passiert sein, dass die Israelis bewogen hat, Zygier festzunehmen und in Isolierhaft zu halten.
Man spekuliert, er könnte zu viel geredet haben oder gar zum Verräter geworden sein. Seine Verwandten in Australien und in Israel wollen nichts sagen, etwa sein Vater, den eine israelische TV-Station in Melbourne erreichte: "Ich habe meinen Sohn verloren, ich möchte nicht darüber reden. Bitte respektieren Sie das."
Medienzensur
Israelische Medien durften bis vor Kurzem auf Anordnung der Militärzensur nicht aus eigenen Quellen über das Thema berichten. Chefredakteure wurden sogar ins Amt des Ministerpräsidenten gerufen und beschworen, dichtzuhalten. Es gehe um die nationale Sicherheit, hieß es, es könnten Menschenleben gefährdet sein, wenn Details bekannt würden.
Sofort gab es in Israel wieder die bekannte Debatte. Ist das im 21. Jahrhundert nicht völlig absurd, fragten Journalisten: Im Internet könne man überall auf der Welt alles darüber lesen, nur in Israel nicht?
Linke Abgeordnete mit Anfrage an Justizminister
Vorgestern bekam die Affäre dann einen starken Impuls, als drei linksgerichtete Abgeordnete im Parlament im Schutze ihrer Immunität praktisch die Zensur umgingen und eine Anfrage an den Justizminister stellten.
Kann es wirklich sein, hieß es da, dass eine Person völlig isoliert ohne Identität und ohne Anklage jahrelang in einem israelischen Gefängnis sitzt? Die Zensurbehörde rechtfertigt sich damit, dass der Fall gerichtlich begleitet wurde und dass Richter die Geheimhaltung angeordnet oder bewilligt hatten.
Familie informiert gewesen
Das israelische Justizministerium hat nun die Informationsblockade teilweise aufgegeben. Ja, heißt es in einem Statement, es wurde ein Doppelstaatsbürger unter einem falschen Namen festgehalten. Seine Familie sei darüber informiert gewesen und er sei durch drei Rechtsanwälte vertreten worden.
Nach seinem Tod in der Zelle sei vorschriftsgemäß eine Untersuchung eingeleitet worden. Sie habe ergeben, dass der Häftling Selbstmord begangen hat.
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