Nackt-Führung im Leopold-Museum

"Nackt unter Nackten" lautete das Motto gestern Abend im Wiener Leopold Museum. Zurzeit ist dort die Ausstellung "Nackte Männer" zu sehen, mit Arbeiten unter anderem von Paul Cezanne, Auguste Rodin und Andy Warhol. Das Leopold-Museum lud zum großen Nudisten- und Naturistenabend. Interessierten bot sich die Möglichkeit, die Ausstellung nackt zu besuchen. Der Andrang war groß.

Morgenjournal, 19.2.2013

Als die erste Nudistengruppe das Ausstellungs-Foyer betritt und sich Dutzenden Fernsehkameras und Fotografen gegenübersieht, wirkt das Grüppchen hüllenloser Herren - man trägt nichts als Turnschuhe und Socken - doch etwas eingeschüchtert. "Ja, die ganze Presse finde ich schon verstörend. Es sind fast so viele Journalisten wie Leute eigentlich hier", meint ein Besucher.

Das Bild ändert sich rasch, denn nach und nach strömen immer mehr Nackedeis ins Leopold-Museum. "Wir werden uns heute ein bissel mit der Geschichte des Männeraktes in Mitteleuropa beschäftigen", heißt es bei der Begrüßung.

David, ein junger Mann mit Dreadlocks und Brille, ist mit seinem Freund eigens aus Graz angereist, um sich in textilfreiem Zustand an den Arbeiten von Louise Bourgeois oder den peppigen Akten des dänisch-norwegischen Künstlerduos Elmgreen und Dragset zu erfreuen. Er sagt: "Ich wollte das Museum sowieso einmal sehen. Und ich habe mir einfach gedacht: Es ist cool, wenn man auch einmal als Kunstwerk dasteht. Mir gefällt die Idee."

Alt und Jung, Männer und Frauen

Naturismus und Nudismus sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, zumindest, wenn man dem Bild im Leopold-Museum trauen darf. Knackige Boys mit Sixpack-Bäuchen bevölkern die Szenerie ebenso wie schmerbäuchige Herren mit Sachbearbeiterbart, alle Bildungs- und Gesellschaftsschichten sind vertreten, auch einzelne Damen im Evaskostüm wagen sich in die hehren Hallen des auf Klimt und Schiele spezialisierten Kunsttempels. Und staunen etwa über den Reporter eines Kommerz-TV-Senders, der sich für seinen Aufsager aus dem Hemd schält und mit entblößtem Oberkörper in die Kamera spricht.

Klaus Pokorny, Sprecher des Leopold-Museums, hat sich vom Trend zur Hüllenlosigkeit noch nicht anstecken lassen. Pokorny erscheint in makelloser Jackett-Kombination zum Interview. "Ich bin mit dem Verlauf des Abends sehr zufrieden, hab wirklich eine große Freude mit dieser Aktion, dass sie so gut angenommen wird", sagt Pokorny. "Es ist auch die Aufteilung sehr ausgewogen, wir haben jüngere Herrschaften, wir haben ältere Männer, wir haben Frauen, es ist wirklich eine gute Mischung, ein guter Querschnitt durch die ganze Bevölkerung."

"Mann ist gleich Muskel"

"Auf der anderen Seite wird deutlich gemacht, wie wenig sich das männliche Schönheitsideal in den letzten 200 Jahren geändert hat. Es ist noch immer dieses griechische Kriegerideal: Mann ist gleich Muskel", heißt es bei der Führung. Aber nicht alle nudistischen Besucher des Leopold-Museums entsprechen dem griechischen Kriegerideal. Herr Hans aus Wien-Umgebung zum Beispiel, er wurde durch einen Tipp aus der Verwandtschaft auf den Nackt-Abend aufmerksam:

"Definitiv hat mir meine Tochter einen Link geschickt. Sie hat gesagt: Da ist heute was für nackte Männer. Weil ich immer zu Hause nackt herumrenne. Da hat meine Tochter gesagt: Das ist etwas für Dich, Papa. Und deshalb bin ich hergefahren."

Nackt zum Wirten?

Der Naturismus-Event im Leopold-Museum hat unübersehbar auch einen volksbildnerischen Effekt. Hier werden Menschen an die Hervorbringungen auch zeitgenössischer Kunst herangeführt, die damit sonst vielleicht nicht so leicht in Kontakt kämen. Herr Hans zum Beispiel. Ihn hat der Besuch im Leopold-Museum allerdings auch auf eine nicht ganz unbrisante Idee gebracht:

"Zum Wirten werde ich am Sonntag gehen, nackert. Das hab ich mir überlegt. Beim Dorfwirt, beim Normalen, da werde ich am Sonntag so auftauchen und schauen, was die so sagen. Da werde ich sagen: Jetzt war ich in Wien im Leopold-Museum, da kann ich zum Wirt auch so gehen. Ich probier's halt. Hahaha."

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Leopold Museum ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

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