Oscar-Favorit "Les Miserables"

Er geht als einer der Topfavoriten ins Rennen um die heurigen Oscars: "Les Miserables". Acht Mal, darunter in der Kategorie "Bester Film" ist die Star-besetzte Musical-Verfilmung nominiert. Regisseur ist Tom Hooper.

Die Bühnenvorlage von Claude-Michel Schönberg und Alain Boublil wurde seit der Londoner Premiere 1985 von über 60 Millionen Menschen in 43 Ländern gesehen. Regisseur Hooper wurde 2011 bereits für "The Kings Speech" mit dem Regie-Oscar ausgezeichnet.

Morgenjournal, 20.2.2013

Eines vorweg: man muss kein Musicalfan sein, um dem Film "Les miserables" etwas abgewinnen zu können: Die Gefahr bei Musicalverfilmungen ist, dass solche Produktionen oft all zu schnell in den Kitsch abrutschen. Große Gefühle auf der großen Leinwand, weich gespült zwischen viel Herzschmerz. Und das passiert bei Tom Hoopers Kinoadaption lange Zeit nicht.

Erstmals bei einer Musicalverfilmung wurde der Gesang hier komplett am Set aufgenommen, anstatt diesen im Studio zu synchronisieren. Viele Gesangspassagen rutschen so ab in einen Sprechgesang, der aus den Musicalnummern teils gesungene Dialoge macht. Falsche Töne werden da schon mal in Kauf genommen, dafür erzeugt Hooper, auch durch viele Close-Ups eine gewisse Intimität, die das Pathos aus dem Bild drängt, und zugleich einen verstärkten Fokus auf die Charaktere zulässt.

Regisseur Tom Hooper sagt dazu: "Ich glaube die Tatsache, dass Musicalfilme meist als Playback gedreht, und im Nachhinein dann synchronisiert wurden, ist einer der Hauptgründe warum es nicht mehr Musicalfilme gibt. Das Problem ist, dass sich die Schauspieler dann ganz nach der Musik richten müssen - wenn sie es aber direkt am Set singen, können sie alles selbst timen. Und das macht eine gute Performance ja aus." Dabei habe es sehr viel Ausdauer gebraucht, um dieser doppelten Belastung standzuhalten, erzählt Russel Crow von den Dreharbeiten. Bis zu über 40 Mal hätten einzelne Szenen wiederholt werden müssen.

Diese Herangehensweise macht vieles authentischer. Und die eigentliche Handlung verkommt lange Zeit nicht zum bloßen Fahrgast der allseits bekannten Melodien. Andererseits wird der Kampf so mancher Schauspieler mit den Partituren mit Fortdauer des Films zur unfreiwilligen Nebenhandlung. Wobei sich die Schauspielstars mal besser - wie Anne Hathaway - mal schlechter - wie etwa Russel Crowe oder Hugh Jackmann - im Musicalfach zurechtfinden.

Und wenn in der zweiten Hälfte des Films dann Liebesgeschichte und jugendlicher Sturm und Drang im nachrevolutionären Frankreich des 19. Jahrhunderts ins Zentrum der Handlung rücken, scheinen Hooper die Regiezügel zunehmend aus der Hand zu gleiten. Die Melodien diktieren dann den Schauspielern den Rhythmus, und "Les miserables" ist - wenn auch grandios bebildert - endgültig wieder auf der opulenten Musicalbühne angekommen.

Tom Hooper hat mit "Les miserables" durchaus interessantes und nicht risikofreies Neuland betreten. Nur leider hält der Film nicht, was die ersten Minuten versprechen. Und bei überlangen zweieinhalb Stunden musikalischer Beschallung, kann es dann doch nicht schaden, dem Musicalfach wenigstens nicht ganz abgeneigt zu sein.

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