Galerie WestLicht zeigt Fotos von Roger Ballen
Der 1950 in New York geborene, seit 1982 in Südafrika lebende Fotograf Roger Ballen gilt als einer der verstörendsten, gleichzeitig beeindruckendsten zeitgenössischen Fotokünstler.
8. April 2017, 21:58
Am 21. Februar wurde in der Wiener Fotogalerie WestLicht eine Retrospektive seines Schaffens eröffnet, von frühen Street-Photography-Aufnahmen über Porträts von armen Feld- oder Minenarbeiter, Taglöhner oder Dienstboten - in der Zeit der Apartheid -, bis zu Installationen.

Roger Ballen, Take-off, aus der Serie Asylum, 2012
(c) Roger Ballen
Kulturjournal, 22.02.2013
Roger Ballen fotografiert analog - also mit Negativfilm und immer schwarz-weiß: "Ich verwende Schwarz-weiß seit der Mitte der 60er Jahre. Ich gehöre zur letzten Generation, die mit schwarz-weiß aufgewachsen ist und weiterhin schwarz-weiß verwendet. Ich versuche, dabei an die Grenzen der Möglichkeiten von Schwarz-weiß zu gehen, denn die Menschen wachsen nicht mehr in dieser Welt auf."
Kein Bild ist wiederholbar
Die Ausstellung in der Galerie WestLicht ist chronologisch nach Serien aufgebaut, es geht da von frühen Aufnahmen auf Reisen mit Themen wie Bürgerrechte, Israel oder Kinderporträts zu Bildern, die er ab dem Anfang der 80er Jahre in Südafrika realisiert, Bilder von Dörfern, wo in der Zeit der Apartheid arme Weiße leben. In der Folge besucht er ihre einfachen Häuser und Innenräume. Intensive, verstörende Gesichter und Szenerien, die - oberflächlich betrachtet - manchmal an Figuren des 1932 gedrehten Films "Freaks" von Tod Browning erinnern.
Die porträt-artigen Bilder werden immer stärker durchwürzt durch Gegenstände oder Tiere, bis schließlich die Menschen nur mehr einen Teil des Ganzen ausmachen. "Man geht in ein Haus, und man steht wie ein Maler vor einer weißen Leinwand", sagt Ballen. "Man muss sich überlegen, wo man anfängt: mit dem Spielzeug am Boden, dem Fleck an der Wand, oder mit dem Baby, das am Boden schläft? Dann muss man damit arbeiten. Mein Job ist es, das Chaos zu organisieren, in dem Chaos Zusammenhänge aufzuzeigen. Ich muss meine Fantasie verwenden, mein Bewusstsein, aber auch mein Unterbewusstsein, sowie meine jahrzehntelange Erfahrung. Es kann sein, dass ich einer Person sage: 'Leg dich hin und sieh die Ratte an!'. Und während sie das tut, beobachte ich ihre Zehen. Die bewegen sich, und dann kommt der Moment der Wahrheit, und die Kamera knipst. Ich sehe meine Fotos wie Gemälde, mit Tausenden kleinen Pinselstrichen. Bei mir geht es darum, Tausende Teilchen zusammenzusetzen, um diese visuellen Zusammenhänge zu schaffen. Deshalb kann man kein Bild wiederholen."
Die Angst der Menschen vor sich selbst
Viele Werke Roger Ballens wirken düster, ja bedrohlich. "Meine Arbeit ist eine lange Reise in mein Innerstes", meint Ballen. "Ich habe keine Ahnung, wo das anfängt oder wo es aufhört - es ist ein sehr mysteriöser Ort. Wir alle erfahren unser Innerstes in der Nacht, wenn wir schlafen. Es ist überall, und wir versuchen, ihm zu entkommen. Wir fürchten es. Wir haben Angst vor Albträumen, aber Albträume sagen mehr über die Wahrheit aus, als alles, was wir tagsüber denken. Meine Bilder reflektieren mein Innerstes, und ich hoffe, dass die Leute dadurch ihr eigenes Innerstes besser verstehen und besser zu sich finden können. Ich glaube, das ist das Beste, was man als Künstler tun kann!" Wenn manche Menschen seine Bilder düster finden, meint Roger Ballen, dann sei das der Ausdruck ihrer Angst vor sich selbst, vor ihrem Innersten.
In den letzten zehn Jahren beschäftigt sich Roger Ballen bevorzugt mit Installationen, Gegenständen, Graffiti, an Art Brut erinnernde Malereien und natürlich Fotos. "Ich habe da wirklich kein Projekt, wenn ich an den vorgesehenen Ort komme", so Ballen." Manchmal nehme ich einfach Dinge mit, wie ich es auch für die Installation hier in Wien gemacht habe. Ich arbeite mit dem, was ich vorfinde. Im Gegensatz zur Malerei hat Fotografie mit realen Objekten zu tun. Wenn es nichts gibt, dann gibt es kein Foto. Ein Maler kann da zum Beispiel seine Fantasie spielen lassen. Ein Fotograf muss mit dem arbeiten, was da ist, mit seiner Umgebung."
Werke von Roger Ballen gibt es übrigens u. a. in den Sammlungen des Pariser Centre Pompidou, des Londoner Victoria and Albert Museum, dem Amsterdamer Stedelijk Museum und dem New Yorker Museum of Modern Art.
Service
Ö1 Club-Mitglieder bekommen im WestLicht ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).
WestLicht