Minderjährige Flüchtlinge sollen Familie suchen
Österreichs Fremdenrecht wird wieder einmal novelliert, weil eine EU-Richtlinie umzusetzen ist. Wie bei fast jeder Novelle gibt es auch dieses Mal scharfe Kritik. Konkret geht es um die Mitwirkungspflicht von Kindern und Jugendlichen. Wenn sie alleine nach Österreich kommen und einen Asylantrag stellen, sollen sie verpflichtet werden, bei der Suche nach ihrer Familie im Herkunftsland zu helfen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 12.3.2013
Aus Recht wird Pflicht
Die Statusrichtlinie der EU legt fest, wie ein Staat Kinder und Jugendliche, die um Asyl ansuchen, bei der Suche nach ihrer Familie unterstützen soll. Österreich drehe das einfach um, ärgert sich Heinz Fronek vom Verein Asylkoordination, und macht aus einem Recht eine Pflicht: "Das Ziel dieser Maßnahme ist es, dass das Bundesasylamt die Daten der Eltern hat."
Die Hoffnung, die sich daran knüpft, sei laut Fronek, dass man die Kinder und Jugendlichen nach einem rechtskräftig negativen Asylverfahren in das Herkunftsland oder einen sicheren Drittstaat zurückschicken kann.
Auswirkung auf Asylverfahren
Diese Bestimmung sei ein klarer Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention und soll wohl eher der Behörde nützen als den Kindern und Jugendlichen, stellt auch der Leiter des UNO-Flüchtlingshochkommissariats in Österreich, Christoph Pinter, fest.
Wenn es zu einer nicht ausreichenden Mitwirkung kommt, könne das Niederschlag bei der Entscheidung im Asylverfahren finden. "Das finden wir nicht gut, da die Familiensuche nicht in direktem Zusammenhang mit der Frage zu sehen ist, ob eine Person Schutz in Österreich braucht", so Pinter.
Suche kann gefährlich sein
Zweifel haben auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt und das Justizministerium. Man müsse auf jeden Fall ein Mindestalter festlegen, heißt es in der Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf und sich ansehen, ob ein Minderjähriger die Folgen seines Handelns überhaupt abschätzen kann.
Aus der Sicht von Heinz Fronek könne es für die Kinder und Jugendlichen sogar gefährlich sein, ihre Eltern zu suchen. Das führe nämlich dazu, dass auch Eltern gesucht würden, die ihre Kinder etwa verkauft haben oder die der Zwangsverheiratung zustimmen.
Aufforderung besteht bereits
Dahinter stehe wohl die Angst, dass zu viele minderjährige Asylwerber versuchen könnten, ihre Familien nach Österreich zu holen. Im Vorjahr sei das aber nur rund zwanzig Mal der Fall gewesen, sagt Heinz Fronek. Morgen soll die Novelle im Innenausschuss des Parlaments beschlossen werden.
Umso verwunderlicher sei es, dass das Bundesasylamt schon jetzt die Behörden auffordert, diese Mitwirkung zu verlangen, sagt Christoph Pinter: "Da waren wir zugegebenermaßen überrascht, dass solche Aufforderungen schon kursieren, da sie vorwegzunehmen scheinen, was erst im Parlament beschlossen werden muss."
Überarbeitung nach Kritik
Nach den Protesten und den kritischen Stellungnahmen zum Begutachtungsentwurf gab das Innenministerium gestern Nachmittag bekannt, dass der Entwurf noch einmal überarbeitet wurde und dass selbstverständlich das Kindeswohl Vorrang habe.
Minderjährige würden zwar nach ihrer Familie gefragt, heißt es, aber wenn es keine Auskunft gibt, bringe das keine Nachteile im Asylverfahren.