Israel: Geschwächtes Kabinett Netanjahu

Nach fast sechswöchigen Koalitionsverhandlungen hat Israel eine neue Mitte-Rechts-Regierung ohne die strengreligiösen Parteien. Sie soll am Montag offiziell angelobt werden. Der rechtskonservative Benjamin Netanjahu bleibt zwar Ministerpräsident, aber er ist im Parlament und damit auch im eigenen Kabinett deutlich schwächer als zuvor und hat den Koalitionspartnern große Zugeständnisse machen müssen.

Mittagsjournal, 14.3.2013

Aus Israel,

Angeschlagen in neue Koalition

Auch in Israel sprachen heute alle vom weißen Rauch, nicht nur wegen der Papstwahl in Rom, sondern auch, weil in Jerusalem eine sehr komplizierte Regierungsbildung endlich gelungen ist. Nur zwei Tage vor dem Ende einer Sechs-Wochen-Frist soll heute das Koalitionsabkommen zwischen den drei wichtigsten Partnern unterschrieben werden: das sind der konservative Likud des alten und neuen Premiers Benjamin Netanjahu, die neue Zentrumspartei des Ex-Journalisten Jair Lapid und die national-religiös gesinnte Partei des erst 40-jährigen Naftali Bennett: Diese Regierung wird gut für Israel sein, freut sich Bennett, der jetzt Wirtschaftsminister wird, und aus seiner Sicht ist es ja wirklich gut gelaufen. Bennett und Lapid sind völlige politische Neulinge, aber sie waren die großen Aufsteiger der Parlamentswahl im Jänner, und es ist ihnen gelungen, den alten Fuchs Netanjahu ganz schön ins Schwitzen zu bringen. Ihr Haupterfolg: sie haben die Strengreligiösen in die Opposition gedrängt, obwohl Netanjahu sie wieder in seiner Regierung haben wollte: Wir werden eine kämpfende Opposition sein, kündigt Arie Deri von der strengreligiösen Schass-Partei an, die verspricht, sich vor Allem für die sozial Schwachen einzusetzen.

Noch ehe die Regierung offiziell im Amt ist, wirkt Netanjahu also schon durch die Koalitionsverhandlungen angeschlagen. Auch in seiner eigenen Likud-Partei hört man ein Murren, weil Netanjahu im Inhalt und bei der Verteilung der Ministerposten Konzessionen machen musste. Immerhin ist es Netanjahu gelungen, das Amt des Außenministers vorläufig für seinen weit rechts stehenden Verbündeten Avigdor Lieberman zu „reservieren“, bis dessen Korruptionsprozess beendet ist. Der populäre Lapid, der gern Außenminister geworden wäre, muss nun das undankbare Finanzministerium übernehmen, wo sich seine Popularität bald aufbrauchen könnte. Eine große Frage ist auch, wie lange es die liberale Ex-Außenministerin Zipi Livni, die mit ihrer neuen kleinen Zentrumspartei dabei ist, und der Siedler-Champion Bennett gemeinsam auf einer Regierungsbank aushalten werden – sie will neue Verhandlungen mit den Palästinensern, er ist strikt dagegen.

Es ist also eine neuartige, aber in sich unharmonische Regierung, die Israel da bekommt. Nach allgemeiner Einschätzung wird sie sich eher auf innen-, wirtschafts- und sozialpolitische Probleme konzentrieren. Angelobt wird sie wahrscheinlich am Montag, gerade noch rechtzeitig, bevor am Mittwoch US-Präsident Barack Obama in Jerusalem eintrifft.

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