Israel: schwierige Regierungsbildung

Israels Premier Benjamin Netanjahu ist unter Zeitdruck. Er hat 28 Tage Zeit gehabt, um eine neue Regierung zu bilden, aber von der angestrebten breiten Koalition ist nichts zu sehen. Vorläufig hat er nur mit der kleinen liberalen Partei von Ex-Außenministerin Zipi Livni ein Koalitionsabkommen schließen können. Ein zentraler Streitpunkt mit möglichen Koalitionspartnern ist die Wehrpflicht für die Strengreligiösen. Heute Abend wird der Staatspräsident die Frist um 14 Tage verlängern. Sollte auch das nicht reichen, wird es wahrscheinlich Neuwahlen geben.

Morgenjournal, 2.3.2013

Koalitionspartner gesucht

Die Stoppuhr diktiert jetzt die israelische Politik. Heute Abend um 20 Uhr Ortszeit läuft eine erste Frist von genau vier Wochen aus, die Benjamin Netanjahu für die Bildung einer neuen Regierung bekommen hat. Laut Gesetz kann er bei Staatspräsident Schimon Peres um weitere zwei Wochen ansuchen, Netanjahu wird das tun und wird die Verlängerung auch bekommen – aber langsam beginnt man sich schon zu fragen: ist es denkbar, dass er es wirklich nicht schafft? Die Aufgabe ist nämlich immer noch genau so kompliziert, wie sie von Anfang an ausgesehen hatte, und Netanjahu scheint bisher kaum weitergekommen zu sein.

Netanjahus rechtskonservative Likud-Partei ist bei den Wahlen im Jänner zwar mit großem Abstand Erste geworden. Sie hat aber trotzdem nur rund ein Viertel der Parlamentssitze, und die potentiellen Koalitionspartner lassen sich einfach nicht unter einen Hut bringen. Als kühler Pokerspieler erweist sich dabei jener Mann, der als sicherer Bundesgenosse Netanjahus gegolten hatte. Der Neo-Politiker Jair Lapid, mit seiner Zentrumspartei überraschend auf Platz zwei gekommen, ist jetzt sehr selbstbewusst und will offenbar die Strengreligiösen hinausdrängen: Sie sind einfach dagegen, dass die Strengreligiösen in der Regierung sitzen, Punkt, sagt der frustrierte Likud-Unterhändler.

Bescheidener Erfolg

Netanjahu würde es sehr wehtun, müsste er tatsächlich auf die langjährige Partnerschaft mit den Strengreligiösen verzichten und sich dem Wohlwollen Lapids ausliefern, der selbst Ambitionen auf das Premier-Amt hat. Aber es scheint so, als würde Netanjahu sich beugen müssen, sonst kann er einfach nicht genügend Mandate zusammenkratzen - denn Lapid hat einen Block mit den National-Religiösen gebildet, der bisher eisern hält.

Vorläufig hat Netanjahu nur einen einzigen bescheidenen Erfolg vorzuweisen: er hat die liberale Ex-Außenministerin Zipi Livni für die Koalition gewinnen können. Aber sie bringt nur sechs Mandate mit, und Netanjahu hat ihr eine wichtige Rolle bei künftigen Verhandlungen mit den Palästinensern versprechen müssen - was wiederum den anderen möglichen Partnern im rechten Lager nicht schmeckt.

Zusätzlich schweißtreibend für Netanjahu ist, dass Barack Obama sich für den 20. März angesagt hat – der eminent wichtige erste Israel-Besuch Obamas als US-Präsident soll das ramponierte Verhältnis zu Netanjahu wieder glätten. Doch wenn die Regierung in zwei Wochen noch nicht steht, heißt es jetzt, dann wird Obama den Besuch absagen müssen. Und zugleich würde das auch bedeuten, dass die Wahlen wiederholt werden müssten. Wirklich zu erwarten ist das nicht, aber interessant wäre es schon, denn Netanjahu würde dann wohl noch weniger Stimmen bekommen und vielleicht sogar sein Amt verlieren.

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