Staatsbürgerschaft neu: Kritik reißt nicht ab

Österreich bekommt ein neues Staatsbürgerschafts-Recht. Wer sehr gut integriert ist, soll künftig nach sechs Jahren Staatsbürger werden können, nicht erst nach zehn. Aber die Kritik am derzeitigen Entwurf bleibt, sogar von einem bevorstehenden Ende der Demokratie ist die Rede.

Mittagsjournal, 23.3.2013

Steuern zahlen, aber kein Wahlrecht

Hernán Villamizar fühlt sich wie ein Österreicher, ist aber keiner. Vor neun Jahren, mit 18, ist er aus Kolumbien hier her gekommen und will hier nicht nur leben, arbeiten und Steuern zahlen sondern auch wählen: "Ich spreche die Sprache, ich habe meine Freunde hier, wohne hier, habe mein Geschäft hier und meinen Lebensmittelpunkt in Österreich, zahle Steuern wie jeder andere, darf aber nicht am demokratischen Prozess teilnehmen. Und ich finde, das ist reine Diskriminierung." Was den Kolumbianer besonders ärgert: Auch wenn das neue Gesetz eine Staatsbürgerschaft schon nach sechs Jahren ermöglicht, hat er keine Chance - er verdient nicht genug.

Problem für die Demokratie

Der Politologe Rainer Bauböck hat die Einbürgerungsgesetze von 36 Ländern verglichen. Sein Fazit: Österreich gehört zu den strengsten. Bauböck hält auch die geplante Reparatur für schlecht: "Nach fünf Jahren dauerhaftem Aufenthalt hat man sich in einem Land in der Regel so weit eingelebt, dass man auch einen Anspruch hätte, politisch mitzubestimmen. Und das ist ja das, was die Staatsbürgerschaft im Wesentlichen ausmacht. Das ist das volle Bürgerrecht, sich in der Demokratie zu beteiligen und vertreten zu sein."

Wenn immer mehr Leute in einem Land leben, die nicht wählen dürfen, bekommt die Demokratie irgendwann ein Problem, "weil dann ein wachsender Prozentsatz von zehn bis 15 Prozent nicht vertreten ist", sagt Bauböck: "Wenn weniger Einwanderer eingebürgert sind, dann ist für die Parteien das Interesse stärker, die Einwanderer als Feindbild aufzubauen und sozusagen Stimmen zu gewinnen, von jenen, die halt ausländerfeindlich eingestellt sind, als das Interesse unter den eingebürgerten Zuwanderern selbst auch Wählerstimmen zu bekommen."

Menschenrechtlich zweifelhaft

Auch die aufgehobene Bestimmung, dass Kinder mit einem österreichischen Vater und einer ausländischen Mutter keinen Anspruch auf eine österreichische Staatsbürgerschaft haben, ist laut Bauböck nur notdürftig repariert. Und er kritisiert auch den Regierungsplan, dass der Vater sein uneheliches Kindes schon vor dessen Geburt anerkennen muss, damit es die Staatsbürgerschaft bekommt: "Das ist wieder eine Reparatur auf dem minimalen Niveau, von dem nach Meinung von Rechtsexperten nicht einmal sicher ist, dass es dem Standard des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsprechen wird."

Große Löcher

Hernán Villamizar will mitbestimmen - er versteht nicht, dass eine große Gruppe davon ferngehalten wird, denn wählen Dürfen fördere die Integration, sagt er. Rainer Bauböck kritisiert, dass über die großen Brocken nicht einmal diskutiert wird: über Doppelstaatsbürgerschaften zum Beispiel oder darüber, warum Kinder ausländischer Eltern, die in Österreich geboren werden, automatisch Ausländer sind und dann erst später und teuer eingebürgert werden müssen.