Vom 5. Jahrtausend v. Chr. bis Kleopatra

Aufstieg und Fall des Alten Ägypten

Die Faszination, die das Alte Ägypten ausübt, ist ungebrochen. Der Tourismus mag infolge politischer Umbrüche im Land am Nil zeitweise zum Erliegen kommen, doch Ausstellungen über Tutanchamun und andere Pharaonen sowie deren Gemahlinnen erfreuen sich eines regen Besucherzustroms.

Der britische Ägyptologe Toby Wilkinson teilt diese Begeisterung für das Alte Ägypten, die bei ihm auf seine Kindheit zurückgeht und in der Folge seine berufliche Laufbahn bestimmt hat. Mit seinem Lexikon des Alten Ägypten, das vorerst nur auf Englisch erhältlich ist, und einer Reihe weiterer Publikationen hat Toby Wilkinson international Anerkennung gefunden. In seinem jüngsten Buch "Aufstieg und Fall des Alten Ägypten" möchte der Wissenschaftler den Blick über Prunk und Pracht hinaus weiten und auch die düsteren Seiten der Pharaonenreiche aufzeigen.

Blinde Verehrung nicht angebracht

Ob der Verweis auf Nordkorea angebracht ist, sei dahingestellt. Möglicherweise hätten sich bessere Vergleiche ziehen lassen. Man muss Toby Wilkinson aber auf jeden Fall zu Gute halten, dass er bereits im Prolog seines Buches offen sein Anliegen kundtut. "In den über 20 Jahren meiner Beschäftigung mit Altägypten bereitete mir mein Forschungsgegenstand zusehends Unbehagen", bekennt Toby Wilkinson, der an der Universität Cambridge lehrt, offen.

Genau diese und viele andere Aspekte, die bei der Betrachtung alter Kulturen häufig ausgeblendet werden, macht Toby Wilkinson zu einem festen Bestandteil seiner Erzählung. Auf 800 Seiten schildert er 5.000 Jahre ägyptischer Geschichte, Kultur und Religion anschaulich, spannend - und mit einem stets wachsamen kritischen Geist, der wohl nicht jedem Ägypten-Fan Freude bereiten wird.

Machterhalt durch Unterdrückung

Wie sie erworben, ausgeübt und gesichert wird, ist ein wichtiges Thema, das den britischen Wissenschaftler bewegt.

Architektonische Großtat Pyramidenbau

Auch die kulturellen Leistungen der Alten Ägypter sieht Toby Wilkinson vor diesem Hintergrund. Er beschreibt nicht nur die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des Pyramidenbaus sowie die technischen Anforderungen und wie sie gemeistert wurden, er geht auch auf die Lebensverhältnisse der Arbeiter und ihre Versorgung während der Bauarbeiten ein.

Außer Frage steht für Wilkinson die architektonische Großtat, die die Errichtung der Pyramiden bedeutete, es war eine unglaubliche Ingenieursleistung. Und, auch das gesteht Wilkinson zu, der Bau der Pyramiden mag durchaus eine gewisse soziale Absicherung für einen Teil der Bevölkerung gebracht haben.

Die Forschungsergebnisse und deren seriöse Interpretation lassen jedoch nach der Überzeugung von Wilkinson keinesfalls den Schluss zu, dass das System, das die Pyramiden hervorbrachte, "echte und weit verbreitete Unterstützung genossen" hätte. Hier distanziert sich Wilkinson klar von manchen anderen Ägypten-Experten.

Lebendig und lebensnah

Wilkinson verweist auch auf den griechischen Historiker Herodot, der sich äußerst kritisch zur ägyptischen Geschichte äußerte. In seinen Historien schrieb Herodot demnach: "Die Ägypter hassen diese Könige so, dass sie ihre Namen nur ungern nennen."

Wilkinson tut sein Bestes, um die geheimnisvolle Zivilisation, von der er im Untertitel seines Buches spricht, zu entzaubern. Nach Esoterik und Romantik steht ihm nicht der Sinn. Vielleicht kommen dadurch echte religiöse oder spirituelle Anliegen, die die alten ägyptischen Herrscher bei all ihrer Machtbesessenheit ja auch empfunden haben mögen, etwas zu kurz. Das alte Ägypten wird in Wilkinsons Darstellung aber auf jeden Fall lebendig und lebensnah - bis hin zu den Leidenschaften und Affären der Kleopatra.

Den Blick schärfen

Schöne Farb- und einige Schwarz-Weiß-Tafeln begleiten den Text. Auf 150 der 800 Seiten gibt Wilkinson eine ausführliche Bibliographie sowie zusätzliche Informationen über den Forschungsstand, umstrittene Themen und wichtige Werke, die seinen eigenen Arbeiten vorausgegangen sind. Auch die Dynastien werden übersichtlich aufgelistet. "Der Aufstieg und Fall Altägyptens hält für jeden von uns Lehren bereit", ist Toby Wilkinson überzeugt, man muss nur den kritischen Blick entsprechend schärfen.

Service

Toby Wilkinson, "Aufstieg und Fall des Alten Ägypten. Die Geschichte einer geheimnisvollen Zivilisation vom 5. Jahrtausend v. Chr. bis Kleopatra", aus dem Englischen übersetzt von Enrico Heinemann und Karin Schuler, DVA

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