Karfreitag: Christlich motivierter Antisemitismus
Für die katholische Kirche ist der heutige Karfreitag ein Trauertag im Gedenken an den Kreuzestod Christi. In der evangelischen Tradition liegt der Fokus heute bereits auf der Auferstehung und in den orthodoxen Kirchen wird Ostern nach dem julianischen Kalender erst am 5. Mai gefeiert. Für die Jüdinnen und Juden war der Karfreitag lange Zeit mit Angst und Schrecken verbunden, denn am Todestag Christi kam es regelmäßig zu Ausschreitungen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 29.3.2013
In der erzählerischen Tendenz der Evangelien verankert
Am Karfreitag blieb den Jüdinnen und Juden vielerorts über Jahrhunderte hinweg nichts anderes übrig, als sich in ihren Häusern zu verbarrikadieren. Denn nach dem Karfreitagsgottesdienst entlud sich der Volkszorn gegen die vermeintlichen "Gottesmörder" oft in regelrechten Pogromen.
Durch diesen christlichen – oder besser – christlich motivierten Anti-Judaismus war dann Boden bereitet – für die nationalsozialistischen Verbrechen des 20. Jahrhunderts bis hin zur Shoah. Der Anti-Judaismus christlicher Provenienz sei bereits in der erzählerischen Tendenz der Evangelien grundgelegt, sagt die Bibelwissenschaftlerin Jutta Henner: "In der Traditionsbildung des frühen Christentums ist die ganze Schuld zu den Juden gewandert, wohingegen die Römer geradezu freigesprochen waren. Pontius Pilatus hat es bis ins Glaubensbekenntnis geschafft, obwohl die Kreuzigung ja ohne das Mitspielen der Römer gar nicht möglich gewesen wäre."
Opportun, Römer christenfreundlich darzustellen
Der Autor des Johannes-Evangeliums etwa lässt ausdrücklich die Juden "Ans Kreuz mit ihm" rufen, während der römische Statthalter Jesus eigentlich frei lassen will. Die Evangelisten beziehungsweise die frühen Christen hätten im römischen Staat als verfolgte, bedrohte Minderheit gelebt, noch dazu in einem gegenseitigen Lösungsprozess vom Judentum, sagt Henner.
Damit sei es natürlich opportun gewesen, die Römer als in gewisser Weise auch eher christenfreundlich darzustellen. "Wenn man sich anschaut wie positiv römische Autoritäten auch in der Apostelgeschichte des Lukas dargestellt werden, wie stark das römische Bürgerrecht des Paulus betont wird, da möchte man natürlich sagen, in der römischen Welt, dieser Glaube an den Gekreuzigten und Wiederauferstandenen, der ist auch etwas für den gebildeten Römer", so Jutta Henner, Leiterin der Österreichischen Bibelgesellschaft.
Anlass für Hinrichtung Angst vor Unruhen
In Wahrheit dürfte der konkrete Anlass für die Hinrichtung Jesu höchst wahrscheinlich die Angst der römischen Behörden vor möglichen Unruhen gewesen sein, sagt Henner: "Man muss sich vorstellen, rund um das Pessach-Fest damals in Jerusalem war bei zehntausenden Pilgern Angst vor Unruhen, vor Aufruhr da, auch bei den Römern und bei den politischen Autoritäten um König Herodes. Da wird dann schnell einmal auch überreagiert, um vermeintlich Ruhe zu bewahren."
Dafür spreche auch, dass Jesus sehr rasch, ohne ordentlichen Prozess, ans Kreuz geschlagen wurde, sagt die Bibelwissenschaftlerin Jutta Henner.
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